Maria von Nazareth
Maria von Nazareth
Den Entwurf zu diesem Text schreibe ich heute, den 15. August. Ein Feiertag in Bayern: Marias Himmelfahrt. Wie das? Die junge einfache Frau aus Nazareth in den Himmel erhoben?
Der alte Frauen-Kräutertag als Fest von Marias Himmelfahrt?
Diese heimliche Göttin des Christentums zu beschreiben ist ein unmögliches Unterfangen.
Ich sehe dich in tausend Bildern
Maria, lieblich ausgedrückt,
so dichtete Novalis (Friedrich Hardenberg), der Dichter der Romantik.
Und er fährt fort:
Doch keins von allen kann dich schildern
Wie meine Seele dich erblickt.
Ich weiß nur, dass der Welt Getümmel
Seitdem mir wie ein Traum verweht,
Und ein unnennbar süßer Himmel
Mir ewig im Gemüte steht.
Ich sehe in der katholischen Kirche zwei Ebenen: Einerseits gibt es die vier Dogmen, andererseits die Volksfrömmigkeit.
Ich beginne mit den vier Dogmen, es sind Lehraussagen, die in Konzilen oder von Päpsten als zu glaubende Sätze bekannt gemacht wurden:
- Maria ist die Mutter Gottes (Gottesmutter, Gottesgebärerin), Konzil von Ephesus 431 n. Chr.
- Maria war vor, während und nach der Geburt Jesu Jungfrau (Jungfrau Maria), Konzil 6. Jahrhundert
- Maria wurde von ihrer Mutter Anna ohne Erbsünde empfangen (Unbefleckte Empfängnis), 1845 durch Papst Pius IX.
- Maria ist in den Himmel aufgenommen worden, sie hat als erster Mensch Anteil an der Auferstehung, Maria als Asumpta, die in den Himmel Erhobene, 1950 durch Papst Pius XII.
- Zu dem Dogma von Marias Aufnahme in den Himmel schreibt der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung: Der Psychoanalytiker C. G. Jung formuliert das besonders deutlich, wenn er schreibt: „Die Konsequenz der päpstlichen Deklaration (Marias Himmelfahrt) ist nicht zu überbieten und überlässt den protestantischen Standpunkt dem Odium einer bloßen Männerreligion, die keine metaphysische Repräsentation der Frau kennt... Die Gleichberechtigung verlangt nämlich ihre metaphysische Verankerung in der Gestalt einer ‚göttlichen’ Frau, der Braut Christi. ... Das Weibliche verlangt eine ebenso personhafte Vertretung wie das Männliche.“
Die Volksfrömmigkeit sieht Maria tatsächlich in tausend Bildern, wie Novalis dichtet.
Diese Bilder sind nicht einheitlich. Sie bewegen sich zum Teil in der mythischen Vorstellung, zum Teil im Geiet der historischen Forschung:
Sie ist die unehelich Schwangere, die Sängerin eines rebellischen Liedes, genannt Magnificat, das sie mit ihrer Verwandten Elisabeth singt.
Sie ist die Unbefleckte, ihr Hymen ist nicht gerissen auch nicht nach der Geburt.
Sie ist die Lesende, während Josef, ihr Mann und Vater Jesu, den Brei rührt oder das Kind wiegt.
Sie ist die junge Mutter auf der Flucht nach Ägypten
Sie ist die Frau, die Jesus zum Wunder von Wasser in Wein auffordert.
Sie ist die Leidenden, die Pietà, die ihren toten Sohn auf dem Schoß hält.
Sie ist die Tochter von Anna und Joachim, empfangen durch den Kuss unter dem Goldenen Tor.
Sie ist die Unbefleckte.
Sie ist die Königin des Alls
Sie ist die Miterlöserin. Dieses Dogma wird vom Protestantismus abgelehnt, denn nur Jesus Christus ist der Erlöser.
Sie ist die Fürsprecherin bei Christus für die Menschen, die sie darum bitten.
Sie ist die Trösterin, die Heilerin, die Lebenspendende
Sie ist die geheime Göttin des Christentums.
Sie ist die Mondgöttin und Erdmutter, die Schwarze Madonna.
Sie ist die schwarze Madonna, die z. B. in Tschenstochau, dem religiösen Zentrum des sehr katholischen Polen.
Sie ist die Mutter der schönen Liebe, eines Ordens mit sechzigtausend Mitgliedern (17.Jhdt).
Sie ist die Fürsprecherin der Menschen im Jüngsten Gericht.
Sie ist die Adressatin des Liedes: Ave Maria, bitt für uns!
Sie ist die Schutzmantelmadonna.
Sie ist der Meerstern
Sie ist das Paradigma des erlösten Menschen
Sie ist die Patronin Bayerns.
Sie ist eine Himmelskönigin, eine Göttin.
Walter von der Vogelweide findet noch mehr Bilder für Maria:
Jungfrau und Mutter, siehe an die Not der Christenheit,
du blühender Zweig des Aaron, aufgehendes Morgenrot ...
du Rose ohne jeden Dorn, du sonnefarben Lichte.“
Die Erdmutter der Antike im Ährenkleid wird auf Maria übertragen. Deshalb schreiben die Frauen der Frauenseelsorge in München über sie:
„Welch eine Frauengestalt, schön, stark und raumergreifend. Eine Jung-Frau im Ährenkleid, golden auf grünem Grund, in einem weiten, rotgoldenen, königlichen Schutzmantel: so verkörpert hier Maria das nährende und bergende weibliche Lebensprinzip! Die Ähnlichkeit mit der großen Erdmutter der Sntike, Demeter, ist offensichtlich. Zugleich ist sie eine Himmelskönigin, gekrönt von schwebenden, rot gekleideten Engeln, eine hohe Frau von Würde und Macht.“
Sie gehört zur Blühen-Symbolik in diesen Bildern:
- Maria im Ährenkleid
- Anna Selbdritt: Anna, Maria und Jesus
- Maria, die nicht verwelkende Blume, so in der orthodoxen Kirche.
- Maria im Rosenhag, wie sie Stefan Lochner und Martin Schongauer so wunderschön gemalt haben.
- Maria im Blumenkranz von Peter Paul Rubens.
- Aus Maria wächst die neue Blume/der neue Baum
Viel mehr noch finden Sie in meinem Buch „Schöpfungswonne“.
Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä. Auf ihren Bildern sitzt Maria in der Mitte eines Blumenkranzes. „Mutter der Schönen Liebe“ wird ein Bild genannt, auf dem Maria einen Blumenkranz im Haar trägt. Es war Anlass zur Gründung einer Bruderschaft, die um 1750 n. Chr.sechshunderttausend Mitglieder zählte. Die Bilder der Maria mit dem Blumenkranz um sich oder in ihrem Haar drücken beides aus: Sinn und Sinnlichkeit. Ich verstehe sie auch als eine hilfreiche Projektion für die Enthaltsamkeit der Priester und Mönche, mit deren Hilfe sie ihre Sexualität sublimierten, was ihnen nicht immer gelang, wie es zur Zeit in der Öffentlichkeit mit den Missbräuchen bekannt wird, endlich!!
Aber wer war Maria wirklich? Können wir das wissen nach 2000 Jahren so unterschiedlicher Überlieferungen und Meinungen?
So viel ist sicher: Maria gehört zu den einfachen Landleuten in Nazareth, war ein junges Mädchen, eine junge Frau.
Der Umschlag von der historischen Frau zur göttlichen Figur ereignete sich Parallel zum Umschlag des historischen Jesus zum Christus, dem Erlöser.
Jetzt werden sowohl sie selbst als auch die Geburt ihres Sohnes mit Bildern aus der Tradition erzählt und gemalt. So kennen wir sie auch, die Mutter und den Sohn.
Maria wurde auch mit der apokalyptischen Himmelskönigin aus der Offenbarung des Johannes (Offbg 12,1-6) identifiziert, wie sie als Strahlenkranzmadonna auf der Mondsichel stehend von Bildhauern und Malern gestaltet wurde.Sie wurde in der Tradition der ägyptischen Isis-Horus-Darstellung mit dem Jesusknaben auf dem Schoß verehrt und so stillte sie die Sehnsucht der Menschen nach der Mutterbrust und dem Mutterschoß.
Diese große Bedeutung ruft dann natürlich nach ihrer Mutter Anna, selten auch nach der Großmutter, Emerentiana. Die Figurengruppe „Anna Selbdritt“, also Anna, Maria und Jesus, ist im Mittelalter weit verbreitet, sei es gemalt, geschnitzt oder in Stein gemeißelt.
Die Tausend Bilder, von denen Novalis gesungen hat, sind alle aus der Mythologie der damaligen Zeit und aus der religiösen Tradition der Völker genommen.
Auch wenn ich hier aufhöre, ist doch deutlich geworden, dass Novalis mit seinen tausend Bildern gar nicht so falsch liegt.
Was verbinden die Menschen, die Maria verehren, mit ihr?
Die Beatles finden Trost und Weisheit bei ihr und singen 1969:
When I find myself in times of trouble
Mother Mary comes to me
Speaking words of wisdom:
Let it be.
Hunderttausende Männer sehen in ihr und lieben die Reinheit, Heiligkeit, sie dürfen sie lieben ohne sie zu begehren. Zu ihnen gehören auch die Autoren des Hexenhammers, der obszönen Anleitung, wie man Hexen erkennen und verbrennen soll.