Hanna Strack » Widerstände gegen das Thema

Widerstände gegen das Thema „Geburt“ – Differenzerfahrung

 

Persönliche Bemerkungen:

  • Gegen Festlegung auf Mutterschaft – wie im 3. Reich
  • Schreckliche Erinnerungen an Hebammen und Geburten der eigenen Kinder in den 60er und 70er Jahren.
  • Traumatische Erfahrungen bei Fehlgeburten
  • Schuldgefühle wegen Abtreibung
  • Trauer über Kinderlosigkeit
  • Bewusste Entscheidung gegen Kinder
  • Sorge um die Rolle des Vaters: Vater als Mit-Schöpfer
  • Notstände in der 3. Welt: Keine Seligkeit, keine Ergriffenheit vom Heiligen
  • zu sehr Parteinahme für einen Beruf (Hebamme)
  • schlechtes Verhältnis zur eigenen Mutter
  • Ein Mann: „es ist ein Thema für Frauen, als Mann habe ich da wenig zu sagen.“

 

Allgemeine Aussagen:

  • Unreinheit des Frauenkörpers: heilig und verrucht
  • Der vernachlässigte Mutterarchetyp und die verwundete Mutter (Benig Mauger p.198)
  • Unkenntnis der spirituellen Bedeutung von Schwangerschaft und Geburt
  • peinlichste Erinnerung an das eigene Geburtserlebnis, das auch Ursprung aller Angst ist.
  • Todesbesessenheit – Geburtsvergessenheit
  • Männerblick auf Frauenkörper
  • Angst vor Eva (Yvonne Gebara in FAMA)
  • Zwiespältiges Verhältnis zur eigenen Mutter
  • Muttermord, eine Folge der Setzung des Vaters z. Zt. Descartes, Hobbes (Christina Schües 115ff)
  • Missachtung der Geburt (Schües 107)
  • Betonung der zweiten Geburt in der Taufe oder durch die geistige Selbst-Setzung
  • „Aber der Vater ist doch auch Mit-Schöpfer“
  • untergründige Verbindung zum Ausschluss von Frauen aus dem Priester/Predigtamt

 

Ambivalente Haltung, interessant aber keine Reaktion:

  • Junge Kirche
  • Kirchenfunk NDR
  • Diakonisches Werk Grundsatzfragen

 

Desinteresse:

  • missio 21 Frauenreferat Basel
  • Pastorinnen zur Frage nach einer Schwangerensegnung: „mich hat noch niemand darum gebeten“
  • In der kirchlichen Frauenarbeit: Vorrang sozialkritischer und ethischer Themen
  • Kirchliche Erwachsenenbildung: viel über Sterben und Tod, nichts zu  Schwangerschaft und Geburt
  • Rücksicht auf die kinderlosen Frauen
  • „Ich habe in meiner Gemeinde keine Schwangere“
  • „Es gibt schon zu viele Segnungsrituale“
  • Kirchentag Köln: „Für eine Einbindung des von Ihnen vorgeschlagenen Projektes in die Programmgestaltung des Kirchentages hat sich leider kein passender Platz finden lassen“ 27.10.06
  • Frauenkonferenz Baden-Württemberg „Aus der Fülle handeln – Frauen gestalten Zukunft“: „Ich habe Ihr Angebot im AK Programm eingebracht, und es stand auf der Vorschlagsliste. Allerdings hat dann das Präsidium – dem ich nicht angehöre – aus der Fülle der Möglichkeiten Ihren Workshop nicht
    ausgewählt.“ (Elisabeth Bücking)

Zitate:

Und Du magst mit Deiner Einschätzung recht haben, wie schwierig das Thema Geburt für uns (wissenschaftliche) Theologinnen ist. Sei es für die Mütter wie für die kinderlosen. Und das bedeutete, daß Du diese Arbeit sehr alleine machen müßtest, was schwer und nicht gut ist.

Und in diesem Thema vermischen sich so schwer unterscheidbar methodische Fragen mit Inhalten und ganz grundsätzlichen Themen wie der Abwehr eines so hochbeladenen Bereichs. Offensichtlich ist es inzwischen leichter, über das Göttliche in der Sexualität zu theologisieren (so in den angelsächsischen Queer-Theologies) als über das Heilige in der Geburt. Wobei beides m.E. tatsächlich nicht einfach affirmiert werden kann, aber wenn ich Dich richtig verstehe, geht es zuerst einmal darum, bestimmte Erfahrungen wahrzunehmen und theologische Deutungen dafür vorzuschlagen, die dann ja auch noch einmal kritisch diskutiert werden können. An mir selbst spüre ich, wie  schwer es ist, über das Thema Geburt/Gebären theologisch zu sprechen –   da gibt es wohl untergründige Verbindungen zum Ausschluß von Frauen aus dem Priester/Predigtamt, die noch nicht wirklich bearbeitet sind, weder auf der persönlichen Ebene der Theologinnen noch auf der theoretisch-wissenschaftlichen. Und die Vermischung scheint mir hier sehr diffizil.

„ein Differenzthema“.

Zsuzsanna E. Budapest, Self-Blessing Ritual  S. 271 in: womanspirit rising. A feminist reader in Religion, ed. Carol P. Christ & Judith Plaskow San Francisco (1979) ²1992 S. 269-272:

And then again, dip your fingers, touch your genitals, and say, “Bless my genitals that bring forth life as you have brought forth the univers.” Touching genitals and speaking of bringing forth life does not mean that all women must give birth to children. The biological destiny that was used against us actually is the basis of our divinity. People come to me and say, “Z., how can you allow biology to become destiny again? You know what they did with that before.” “I`m sorry,” I reply, “we do give birth, we do issue forth people, just as the Goddess issues forth the universe. That es a biological connection and manifestation of the Goddess. It is not something I`m going to keep quiet about. It is what women do, we make people.”

Uta Blohm: Women Clergy Working with Rituals

When the Methodist church was rewriting its prayer book we had some services sent out to try. The baptism service included the blessing of the water and it had the phrase ‘through the waters of the womb in pain and in joy the child is delivered’. I just thought that was lovely and I talked to women I visited about how the baptism of the baby was one way of saying thank you to God for what they had come through and that this part of the liturgy honoured the role of women – that that they did carry the baby and that they did bring it forth in pain.  When the prayer book was published that piece had been omitted.  It had just been wiped out by the complaints of the church; people didn’t want this.  They obliterated all references to women bar one, the word mother appears in one service in the book. They took out this lovely piece of the liturgy so I’ve put it back in my service and that’s probably the only kind of forthright thing I’ve done in order to be able to say to women, ‘This is a rite of passage: you’ve come through something difficult and painful and we’ll acknowledge it in the service’.

 

Aldcroft: Childbirth, Liturgy, and Ritual – A Neglected Dimension of Pastoral Theology, in: Alaine Graham; Margaret Halsey (ed.): Life Cycles: Women and Pastoral Care. London 1993, p.180-191

189: … how deeply runs the revulsion some women have towards their own bodies. There are women who can’t look at, let alone touch, their own genital areas, women who have passed this revulsion on, mothers to daughters. Images planted by the early Church fathers who equated the females with the ‘lower order’ of nature, sex, pollution, sin, and death, have bitten deeply into women’s psychological make-up. As a consequence, it is difficult for women to believe deeply in their own sacredness and capacity to image the Divine.

 

„Dieses Thema liegt mir schon lange am Herzen. Im Grunde seit dem Tag an dem ich in der Gynäkologie die Bemächtigungsakte der Männer erlebte und darüber eine hoch spannende „feministische“ Analyse von Ronald Laing las. Sie haben völlig Recht, dieses Thema wird in der Frauenarbeit tabuisiert. Ich glaube aus verschiedenen Gründen. Einmal, glaube ich, hindern uns die faschistischen Idealisierungen des Mutterbildes, die Geburt zu thematisieren, dann blockiert der Wunsch, die Frauen, die nicht geboren haben, den Impuls die Geburt als heilige Erfahrung zu beschreiben und zuletzt mag die Jahrhunderte lange Abwertung und praktische Entfremdung („medikalisierte Geburt“) durch die patriarchale Kultur die Frauen hindern, die Geburt als Begegnung mit dem Heiligen wahrzunehmen und zur Sprache zu bringen.

Später im Advent 2006: Wir haben das Thema angeschnitten aber nicht zu Ende diskutiert und dabei aber schon gemerkt, dass es ziemliche Ambivalenzen unter uns zu diesem Thema gibt. Neben den bekannten Faktoren, schien uns das zwiespältige Verhältnis zu unseren eigenen Müttern ein weiterer gewichtiger Aspekt zu sein, der Frauen/uns hindert, sich intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen. Schließlich haben wir überlegt: Könnte das etwas für den nächsten Advent sein?

 

„Sie sagten meiner Kollegin, dass „wir“ uns nicht nur über den Tod definieren sollten, weil Sie erneut auf unsere Arbeitshilfe reagiert haben. Wie ich Ihnen schon im Jahr 2006 versucht habe, zu erklären, handelt unsere Arbeitshilfe „Leben heißt Abschied“ nicht nur vom Tod, sondern vielmehr um das Abschied nehmen in unterschiedlicher Form: Trennung von Beziehungen, Scheidung der Eltern, Abschiednehmen. Diese Arbeitshilfe nimmt die Lebenswelten von Jugendlichen mit ihren Abschiedsthemen unter den Blick.

Unser Klientel ist mit durchschnittlich 14 Jahren doch noch ein wenig weit weg von dem Thema Geburt, so dass Ihr Buch für unsere Zielgruppe erst in späteren Jahren interessant wird.“

 

„Jedenfalls kam damals praktisch keine Resonanz und das fand ich schade – und dann möchte ich noch persönliches, stirnkrausiges Empfinden ausdrücken, wenn ich im Frauenkirchenkalender hinten drin über die Mitarbeiterinnen lese: „…., 3 Kinder,…“ Ich will weiter erstmal nix dazu sagen, -krause aber Stirn.“

 

Hans Saner und Peter Sloterdijk: Teknophobie und Uterophobie

Sloterdijk: Eurotaoismus S. 204f:

Von ihrer Sterblichkeit eingeschüchtert und fasziniert, schauen die Menschen über das Geborensein wie über das Beiläufigste hinweg… Das Cogito des Todes hat auch den kleinsten Ansatz zu einem Cogito der Geburt erstickt – bis Heidegger und bis heute … Keiner will bei dem Ereignis, das ihn ans Licht der Welt brachte, dabei gewesen sein. Geborenwerden – das passiert nur den anderen.

Konsequenz ? Weder ans Licht der Welt – noch Geschenk des Lebens – weder Guter Hoffnung – noch Unter dem Herzen

 

MAUGER, Benig: Reclaiming the Spirituality of Birth p.198: daughters of wounded mothers

Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen

Der Mensch schämt sich, geboren statt gemacht zu sein. Er schämt sich der Tatsache, im Unterschied zu den tadellosen und bis ins Letzte durchkalkulierten Produkten sein Dasein dem blinden und unkalkulierten Prozess der Zeugung und Geburt zu verdanken

Henry Miller: In der Unfähigkeit, die Welt als Mutterleib zu erkennen, liegt zum großen Teil die Ursache unsers Elends. (The Wisdom of the Heart NY 1960 S. 94 Sloterdijk Sphären 320)

 

Ich habe selbst keine Kinder geboren, doch vor Jahren in einer Frauengruppe, mit der ich meditiere über Orte der Gotteserfahrung gesprochen und die Frauen haben sich fast alle an ihre Geburten erinnert, das manchmal mit Scheu benannt, weil sie noch nie darüber gesprochen hatten.

 

… immer noch tief berührt von Ihrem Vortrag in V. sah ich mir die Krippendarstellungen bei meinem Bummel durch F. an. Bei dieser Karte (Heilige Nacht, Oberrhein 1420) musste ich an meinen Heiligenschein denken, den meine Mutter mir prophezeit hatte vor der Geburt meiner Kinder. So war es mir, nachdem ich geboren hatte! Meine Mutter hatte recht! Mit diesem Bild möchte ich mich bei Ihnen herzlich bedanken für meine völlig neue Sicht auf das Weihnachtsfest!

 

Vieles, was Sie geschrieben haben, erlebte ich auch so. (Diakon, Vater)

 

„Ich hab mich ein wenig unter Theologinnen umgehört. Die Idee eine Liturgie für Schwangerensegnung wurde eher zögerlich aufgenommen. Einmal, weil sie im Moment das Gefühl haben, von Liturgien überschwemmt zu werden und manche auch, weil Sie die Gefahr sehen, dass das Mütterliche bzw. Muttersein wieder überhöht wird. Es war aber sicher keine repräsentative Umfrage, sondern nur ein kurzes Meinungsbild.

Persönlich habe ich mich noch nicht mit diesem Thema befasst, vielleicht auch, weil ich durch meine sechs Fehlgeburten eher an Trauerritualen zur Verabschiedung von Wunschkindern interessiert war. Bin aber grundsätzlich interessiert.“

 

„Finde Ihr Buch sehr gut und interessant … allerdings habe ich immer so ein eigenartiges Gefühl über das Muttersein zu sprechen. Ich bin begeisterte Mutter, der Großteil meiner Freundinnen ist kinderlos. Immer wenn das Thema Mutter auftaucht, merke ich ein Veränderung, die mir wehtut. Wir, das b. Frauennetzwerk hat kürzlich einen Diskussionsabend mit Buchpräsentation „Kinderlos, na und“ mit der Autorin veranstaltet, und da merkte ich, dass keine der Frauenorganisationen einen glaubwürdigen Zugang zu den kinderlosen Frauen hat. Dass der Titel des Buches ausgesprochen blöd ist, habe ich angemerkt, die Autorin meinte dass er ausschließlich besseren Verkaufszwecken dient, und damit das Thema zum Thema wird.“

 

Luisa Muraro S. 15:

… Weil in mir drinnen, ohne mein Wissen, eine dunkle Abneigung gegen die Urheberin meines Lebens bestand, die durch die Philosophie sozusagen wieder belebt wurde, …“ „Den Ausweg fand ich … durch die Politik der Frauen. Durch sie habe ich nämlich gelernt, dass eine Frau für ihre freie Existenz auf symbolischer Seite die mütterliche Potenz braucht, so wie diese materiell brauchte, um zur Welt zu kommen.  … Vorher fehlte mir zwischen der mütterlichen Potenz einerseits und meinen Bedürfnissen andererseits das Verbindungsstück der Liebe und der Dankbarkeit. Da mir dies fehlte, konnte ich mich dem Glauben hingeben, dass mein Streben nach symbolischer Unabhängigkeit im Gegensatz stünde zu dem, was mir das willkürliche und schlecht definierte Reich der Schöpferin meines Lebens schien.“ S. 16 „Ich nenne die Mutter Schöpferin des Lebens.“ S.123