Hanna Strack » Wibrandis Rosenblatt 1504-1564

 

Wibrandis Rosenblatt, verwitw. Keller, verwitw. Oekolampad, verw. Capito, verw. Bucer 1504-1564

Gedenktag 2.11.

 

1564 wurde Basel von einem grossen «Sterbend», einer Pestwelle, heimgesucht. Gegen 7000 Menschen soll die Seuche in jenem Jahr dahingerafft haben. Die 1624 erschienene «Kurtze Baßler Chronick» erinnert daran; sie nennt neben Pfarrern, Juristen, Ärzten und Druckerherren als Opfer der Pest auch: «Fraw Wiprand Rosenblat / Herren Joh. Oecolampadii, Wolfgangi Capitonis vnd Martini Buceri seligen / Witwe». Wibrandis Rosenblatt – eine bemerkenswerte Frau. Ein Blick auf ihre Lebensgeschichte bestätigt diese Annahme.

 

Wibrandis Rosenblatt war Pfarrfrau der ersten Stunde und hatte ein bewegtes Leben. 1504 wurde sie als Tochter der Magdalena Strub aus Basel und des Hans Rosenblatt aus Säckingen geboren.  Von ihrem Vater ist kaum etwas bekannt. Fest steht, dass er 1510 in Säckingen als Schultheiss amtete. Es scheint aber, dass er die meiste Zeit von zuhause abwesend war, in österreichischen Kriegsdiensten. Wohl deshalb kehrte die Mutter  mit ihren Kindern nach Basel zurück. Die Strubs waren Gerber; mehrere Familienmitglieder saßen im städtischen Rat. Wibrandis heiratete mit zwanzig Jahren den Magister Ludwig Keller. Gemeinsam hatten sie eine Tochter. Bereits zwei Jahre nach der Hochzeit wurde Wibrandis Witwe.

 

Kurze Zeit später verstarb die Mutter von Prediger und Universitätsprofessor Johannes Oekolampad; sie hatte ihrem Sohn den Haushalt besorgt. Nun entschloss sich Basels Reformator zu heiraten. Seine Lebensgefährtin wurde die 22 Jahre jüngere Wibrandis. Sie brachte ihre Mutter und die kleine Tochter in die Ehe mit. Die Ehelichung eines Priesters galt als reformatorischer Akt, als Bekenntnis zum «neuen» Glauben. Priesterehen erregten Anstoss und provozierten öffentliche Kritik. In Basel äußerten sich Erasmus von Rotterdam und Bonifatius Amerbach spöttisch zur Ehe Oekolampad-Rosenblatt.

 

Als Pfarrfrau führte Wibrandis die Hauswirtschaft, empfing Gäste, beherbergte Glaubensflüchtlinge, betreute Arme und Kranke und wurde Mutter von weiteren drei Kindern. Ihr oblag die Sorge um das leibliche und geistliche Wohl der Pfarrhausgemeinschaft.  Zudem wurden auch Beziehungen mit anderen Reformatorenhäusern gepflegt.  Wir können annehmen, dass Wibrandis Rosenblatt durch all die Besuche, Briefwechsel und Tischgespräche regen Anteil nahm an den Auseinandersetzungen und Debatten ihrer Zeit.

 

Bereits 1531 wurde Wibrandis erneut Witwe. Etwa zur selben Zeit verstarb auch Agnes Röttel, die Frau des Straßburger Reformators Wolfgang Capito. Freunde rieten ihm zur Wiederverheiratung und wurden auf der Suche nach einer passenden Frau in Wibrandis fündig. Mit 28 Jahren heiratete Wibrandis in dritter Ehe den 54jährigen Capito. Sie zog zusammen mit ihrer Mutter und den Kindern nach Strassburg. In der Folge schenkte sie fünf weiteren Kindern das Leben.

1541 wütete die Pest am Oberrhein und raffte Capito und drei Kinder hinweg.

Auch Elisabeth Bucer-Silbereisen, die Frau des Reformators Martin Bucer, erlag der Seuche. Noch auf dem Totenbett bat sie Wibrandis, an ihre Stelle zu treten. 1542 fand die Hochzeit statt. Wibrandis gebar zwei weitere Kinder. Zu den eigenen und angeheirateten Kindern nahm Wibrandis noch eine Tochter ihres verstorbenen Bruders zu sich auf. Zeitweilig wohnten – nebst der Mutter von Wibrandis – auch Bucers Vater und dessen zweite Frau im Pfarrhaus.

Als Folge des Augsburger Interims musste Bucer Straßburg verlassen. Er ging nach England ins Exil. Dort arbeitet er an der Kirchenordnung und an der Liturgie der anglikanischen Kirche. Bald folgte ihm seine Frau mit ihrer Familie und dem ganzen Hausrat. Ein paar Monate später erkrankte Bucer und starb. Er wurde in Cambridge beerdigt.

Wibrandis reiste zusammen mit ihrer Mutter und den Kindern nach Straßburg zurück und von dort wieder nach Basel. 1564 erlag Wibrandis im Alter von 60 Jahren der grossen «Sterbend», der Pest. Sie wurde im Grab ihres zweiten Gatten, Johannes Oekolampad, im Kreuzgang des Basler Münsters beigesetzt. Ihr Name fehlt allerdings auf dem Epitaph. Deshalb möchte ich darauf  ergänzen: Praeterea hic sita est mater familias et uxor Wibrandis Rosenblatt – omni laude digna . Ferner liegt hier beerdigt Wibrandis Rosenblatt – des höchsten Lobes würdig.

 

Irina Bossart

 

aus dem FrauenKirchenKalender 2004

 

Nachweise: Roland H. Bainton: Frauen der Reformation. Von Katharina von Bora bis Anna Zwingli. Zehn Porträts, Gütersloh 1995, S. 84-102

Mit freundl. Genehmigung des Gütersloher Verlagshauses in der Verlagsgruppe Random House, München