Hanna Strack » Texte zum Kirchenjahr 2004

Erster Sonntag nach Epiphanias

 

Wenn ich mir anschaue, wie unterschiedlich die Begabungen sind, die die Menschen in meiner Gemeinde haben, dann fällt mir auch gleich das Bild von dem Leib und seinen Gliedern ein, wie Paulus es in seinem Brief an die christliche Gemeinde in Rom schreibt : „So sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied, und haben verschiedene Gaben, die uns gegeben sind.“ Diese Gaben hat es in der Gemeinde gegeben, die als eine kleine Gruppe in der Weltstadt Rom lebte: prophetische Rede, Leitungsamt, Lehre, Ermahnung, Barmherzigkeit.  Es war eine Gemeinschaft der Gleichen, die Jesu Botschaft leben wollte und die dann erkennen musste, dass sie zwar vor Gott gleiche sind, in wesentlichen Dingen aber ganz unterschiedlich:  ihre Herkunft, ihr sozialer Stand, ihre Sprache, ihre Fähigkeit zu leiden ebenso wie zu helfen.  Deshalb will Paulus ihnen mit dem Bild vom Leib helfen. Die Glieder sind alle sehr verschieden, aber sie bilden einen Leib. Dieses Bild möchte ich gerne auch auf die weltweite Christenheit übertragen. Da sehen wir die gewaltigen Unterschiede und die Fülle der Glaubensformen. Lasst uns immer einander bereichern!

 

 

3. Sonntag nach Epiphanias

 

Meine Freundin ist Landwirtin in Mecklenburg. Sie bewirtschaftet mit ihrem Mann und ihren Kindern 600 ha unterm Pflug. Die nicht enden wollende Hitze und Dürre des vergangenen Jahres bringt sie wie viele andere an den Rand des Konkurses. „Und dann plötzlich, als ich in der Traurigkeit saß, fiel mir das Buch von Gertrud von Helfta in die Hände und ich fand Trost.“ Das fließende Licht der Gottheit, so bekennt Gertrud die Große, die im 13. Jahrhundert lebte, erhellt die Räume der Verzweiflung und schenkt neue Kraft, weil sie wie eine Energie wirkt. „Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes“, so hatte Paulus Jahrhunderte zuvor seinen Glauben bekannt, und: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“. Röm 1,17. Meine Freundin wird, wenn die Banken keine Kredite mehr gewähren sollten, das Evangelium als das fließende Licht der Gottheit in ihrem Leben leuchten lassen. Sie wird mit ihrer Familie die Gelassenheit finden zu einem neuen Anfang. Und so wird sie eine Gerechte sein, die aus Glauben lebt.

 

 

2. Sonntag in der Passionszeit

 

Ich sitze schon viele Tage am Bett meines kranken Kindes, ich mache mir große Sorgen. Langsam werde ich gelassener. Ich lerne durchzuhalten. Ich verliere die Hoffnung nicht. Weil Gottes Liebe in meinem Herzen lebt. Weil die Kraft des Geistes in mir ist. Es ist Gottes heiliger Geist. Diese Kraft wirkt in mir, die ich am Bett meines Kindes sitze. Habe ich es Jesus Christus zu verdanken, dass ich ruhiger werden kann, Jesus, der mein Verbündeter ist? Paulus schreibt: „Wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung… denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Röm5,3. Über dem Bett meines Kindes breitet sich eine Atmosphäre aus, die von Ruhe und Frieden erfüllt ist. Ich spüre Gottes Gegenwart. Ich spüre meine Verbindung mit Gott. Paulus schreibt: „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.“ Röm 5,1. Paulus hatte keine Kinder, ihn beschäftigte die Frage des rechten Glaubens und darin erfuhr er Bedrängnis, Geduld, Hoffnung und Gottes Liebe.

 

 

4. Sonntag in der Passionszeit

 

Sie kennen vielleicht das Gebet, das 1913 in der Normandie entstanden ist, später aber Franz von Assisi zugeschrieben wurde: „O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich Liebe übe, wo man sich hasst.“ Einige Zeilen später heißt es: „Herr, lass du mich trachten, nicht dass ich getröstet werden, sondern dass ich andere tröste; nicht dass ich verstanden werde, sondern dass  ich andere verstehe, nicht dass ich geliebt werde, sondern dass ich andere liebe.“ Ist das wirklich mein Wunsch? Nein, ich möchte getröstet werden, ich möchte verstanden werden, ich möchte geliebt werden! Paulus schreibt: „Der Gott allen Trostes hat uns getröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selbst getröstet werden von Gott.“ 2.Kor 1,2. Wir werden von Gott getröstet und können diesen Trost weitergeben, wir werden von Gott verstanden und geliebt und können das weitergeben. Ich meine, dass das Gebet von 1913, das Franz zugeschrieben wird, uns Menschen überfordert und dass Paulus das nicht so gemeint hat. Denn Gott ist der Gott allen Trostes!

 

 

Aschermittwoch

 

Hatten unsere Großeltern noch den christlichen Glauben in Gehorsam, Mäßigung, Geduld, Demut und Frömmigkeit gelebt, so sind wir Menschen der jungen Generation eher Suchende, Zweifelnde, sozial Engagierte. Wir tragen die Sehnsucht nach dem Heiligen in uns. Wir machen uns auf den Weg, wir wollen uns selbst und die Welt verändern. Wir besuchen Meditiationskurse, diskutieren in Gesprächsgruppen, erleben die Bibel im Bibliodrama und beten beim meditativen Tanzen. Andere engagieren sich dort, wo Not ist, hier in Deutschland und auf der ganzen Welt. Und wieder andere bestehen darauf, zweifeln zu können, das Zweifeln als Form des Glaubens. Wir alle fragen auch nach dem, was uns andere Religionen, besonders die buddhistische,  antworten können auf unsere Fragen nach dem Heiligen. Der Verfasser des zweiten Petrusbriefes fasst das alles zusammen in der Forderung nach der „brüderlichen“ Liebe zu allen Menschen. 1.Petr1,7. Ob Frauen mitgemeint waren? Ich vermute, nein. Ich nehme es aber in Anspruch, dass der Weg der Frauen auf der Suche nach ihrer eigenen Spiritualität ein gesegneter Weg ist.

 

 

Septuagesimae

 

Rousseau hat berühmte Bücher über Erziehung geschrieben und währenddessen seine eigenen Kinder in einem Kinderheim untergebracht. Theorie und Praxis klafften auseinander. Das kann bei mir selbst auch passieren. Und Paulus hat das wohl auch als ein Problem erkannt: „Ich laufe nicht wie aus Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht anderen predige und selbst verwerflich werde.“ 1. Kor 9,26+27. Paulus benutzt Bilder aus dem Sportwettkampf: „Wisst ihr nicht, dass, die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis?“ V. 24. Ich spreche lieber davon, dass ich mich aufmachen will, um an die Quelle zu gelangen, wo das Wasser des Lebens für mich sprudelt. Ich will alle Negativ-Worte aus meinem Kopf verabschieden, damit die Frohe Botschaft von Gottes Liebe wie Positiv-Worte in mir wirksam werden kann. Ich will mir eine Auszeit nehmen, um über mein Leben nachzudenken, um Reden und Handeln, Theorie und Praxis, miteinander in Einklang zu bringen.

 

Estomihi

 

Philomena Franz ist eine Roma. Früher sagten wir: Zigeunerin. Aber dieses Wort verdeckt die eigentliche Lebenswirklichkeit dieser Menschen. Philomena Franz ist einer behüteten Großfamilie in Stuttgart aufgewachsen mit viel Liebe zur Musik und zur Natur. Schon als Kind tanzte sie auf den Bühnen der großen Städte. Dann kamen die Nazis. Sie vermaßen ihr Gesicht, um ihre Rasse festzustellen, sie sperrten sie in Güterzüge wie die meisten ihrer Familie. Sie schnitten ihr im Konzentrationslager ihr wunderschönes Haar ab. Philomena Franz sah ihre Schwester am Galgen sterben. Im Stehbunker überlebte sie, weil ein Mann ihr einen brocken Brot zuwarf. Nach dem Krieg kämpfte sie jahrelang vergebens um Anerkennung als Opfer. Sie litt unter den traumatischen Erinnerungen. Dann schrieb sie alles auf, was sie erlebt hatte. Und sie gab ihrem Buch den Titel: „Liebe ist stärker als der Hass.“ Das Leben dieser gläubigen Frau ist ein Gleichnis für die Worte des Apostel Paulus: „Die Liebe ist langmütig … sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu.“ 1. Kor 13,4+5.

 

 

Septuagesimae

 

Rousseau hat berühmte Bücher über Erziehung geschrieben und währenddessen seine eigenen Kinder in einem Kinderheim untergebracht. Theorie und Praxis klafften auseinander. Das kann bei mir selbst auch passieren. Und Paulus hat das wohl auch als ein Problem erkannt: „Ich laufe nicht wie aus Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht anderen predige und selbst verwerflich werde.“ 1. Kor 9,26+27. Paulus benutzt Bilder aus dem Sportwettkampf: „Wisst ihr nicht, dass, die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis?“ V. 24. Ich spreche lieber davon, dass ich mich aufmachen will, um an die Quelle zu gelangen, wo das Wasser des Lebens für mich sprudelt. Ich will alle Negativ-Worte aus meinem Kopf verabschieden, damit die Frohe Botschaft von Gottes Liebe wie Positiv-Worte in mir wirksam werden kann. Ich will mir eine Auszeit nehmen, um über mein Leben nachzudenken, um Reden und Handeln, Theorie und Praxis, miteinander in Einklang zu bringen.