1. Advent
Der Tag naht sich, der große Tag des Lichtes und der tiefen Nacht. Licht und Wärme werden uns umfangen und die Dunkelheit wird sich wenden. Der Tag naht sich, an dem die Macht der Liebe geoffenbart wird durch den neugeborenen Jesus. Jedes Jahr fasziniert uns dieses Weihnachtsfest, das Fest der geweihten Nächte. Wir sind in diesen Wochen der Vorbereitung auf das Christfest aufgerufen, dass unsere Seele mit Gottes Wort ins Gespräch kommt. „…so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben…“ Hebr 10,22. Das ist die innere Seite des Weges zum Fest, die persönliche Einstimmung. Doch „…lasst uns aufeinander acht haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken…und das um so mehr, als ihr seht, dass der Tag naht!“ Hebr 10, 24+25. Das ist das Geschehen nach außen, zu den Mitmenschen und zu aller Kreatur hin. Also wollen wir günstige Gelegenheiten schaffen und suchen, damit andere Menschen Liebe üben können und damit wir auch selbst der Liebe Raum geben. Da gibt es viel zu tun. Packen wir es an!
Hanna Strack
Palmsonntag – Karwoche
Mit dem Palmsonntag beginnt eine Woche ungewöhnlicher Dramatik, die zugleich den Anfang und Grund des christlichen Glaubens bildet: Am Sonntag ein triumphaler Empfang in Jerusalem: Jesus reitet auf einem Esel, die Menschen jubeln ihm zu und schmücken mit Palmzweigen seinen Weg und singen: „Hosianna, Du bist unser König aus dem Hause David!“
Doch schon am Donnerstag nach dem gemeinsamen Mahl mit den Jüngerinnen und Jüngern verrät Judas Jesus durch einen Kuß an die Soldaten. Sie bringen ihn zum Verhör zu Pontius Pilatus. Jesus wird verhöhnt, geschlagen und wegen Gotteslästerung zum Tode am Kreuz verurteilt. Am Karfreitag um 15 Uhr gedenken wir seiner Todesstunde. Und schon am Sonntag morgen, als die Frauen den Leichnam Jesu salben wollen, erfahren sie, dass er auferweckt ist, dass er den Tod überwunden hat, dass er den Weg der Liebe konsequent gegangen ist bis zum Sterben und darüber hinaus: Die Liebe ist die größte Macht!
Diese Woche, die vor uns liegt, wird uns aufwühlen und uns die äußersten Ränder des Lebens erfahren lassen. Eine Frage begleitet uns durch die Woche: Leben und Tod – wie gehören sie zusammen, wenn Jesus im Namen des liebenden Gottes den Tod überwunden hat?
Hanna Strack
Ostern – Joh 20,11-18
Ostern – das Fest der Auferstehung Jesu, der dem Tode die Macht genommen hat!
Ostern – der Anfang des christlichen Glaubens in der wunderbaren Begegnung von Jesus und Maria aus Magdala. Johannes, der Evangelist, schildert uns die Geschichte einer Liebe: Maria meint, der Mann an der leeren Grabstelle sei der Gärtner. Dieser fragt: „Frau, was weinst du?“ Maria antwortet: „Ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“ Und Jesus: „Maria!“ und sie: „Rabbuni – mein Meister!“ Und Jesus: „Rühr mich nicht an, ich noch nicht bei Gott!“ Texte aus dem Hohen Lied der Liebe klingen hier an. Maria Magdalena bringt diese unfassbare Kunde von der Auferweckung Jesus zu den Jüngern, die zusammensitzen und weinen und trauern: „Weinet nicht, und fürchtet euch nicht, denn er hat uns zu Menschen gemacht!“
So steht Maria Magdalena am äußersten Erlebnispunkt, den Religion vermitteln kann: Dass Gott Liebe ist, das hat sie durch die Beziehung einer Liebe erfahren. Sie steht am Schnittpunkt von Himmel und Erde, wo Männliches und Weibliches einander zugehören.
Hanna Strack
Offenbarung 3, 21
Die Offenbarung des Johannes, das letzte Buch im Neuen Testament, birgt eine wahre Flut an Sinn-Bildern. Hier ist es das Bild von den „weißen Kleidern“: „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden..“ Wir kennen Weiß als Farbe für die Hochzeit, in Amerika sogar für die Trauer. Ich erinnere mich, dass wir 1945 ein weißes Bettlaken aus dem Fenster hingen zum Zeichen der Neutralität. Der weiße Riese aber hat die Farbe missbraucht und hat unzählige Frauen zum Putzen gezwungen. Ihnen wurde die Sauberkeit oft wichtiger als das Leben ihrer Familie. Das Sinnbild von den weißen Kleidern meint den Menschen selbst, seinen Charakter, der klar und eindeutig ist. Es steht für die Klarheit des Geistes, wenn wir klar sehen, was Leben und Tod für uns bedeutet. In der Mystik, dem inneren Weg des Glaubens, steht Weiß für die Erleuchtung, die höchste Stufe der Vereinigung mit dem Absoluten. Mond und Silber sind dem zugeordnet. In diesem Sinn ist es ein schönes Lebensziel, mit weißen Kleidern angetan zu werden!
Hanna Strack
Kantate, 4. Sonntag nach Ostern
Kantate heißt dieser Sonntag, denn der Psalm dieses Tages beginnt mit: „Singet dem Herrn ein neues Lied“! Da stutzen wir schon: Ein neues Lied? Wenn wir unser Gesangbuch aufschlagen, dann finden wir von wenigen Ausnahmen abgesehen Jahrhunderte alte Lieder. Natürlich, ihre Melodien, die Choräle, haben eine große Kraft und fördern die Gemeinschaft der Singenden. Die vielen neuen Lieder, die in den Jahrzehnten seit dem 2. Weltkrieg geschaffen wurden, sind in anderen Liedsammlungen zu finden. Sie sind neue Lieder auf Grund neuer Gotteserfahrungen, so wie der Psalmist es wohl gemeint hat: „Singet Gott neue Lieder, weil ihr neue Erfahrungen des Glaubens gemacht habt!“ Einen guten Weg gehen auch alle die, die neue Texte zu den guten alten Melodien schreiben. So dichtet Carola Moosbach zu der Melodie von „Lobet die Herren, alle die ihn ehren“: „Lobet die Eine, die uns stärkt und tröstet, die nach uns ruft und treu sich an uns bindet“. Das ist ein neues Lied, weil sie auf Grund schlimmer Gewalterfahrung dringend eine neue Sprache für das Gebet benötigt.
Hanna Strack
Johannes der Täufer
Auf dem eindrucksvollen Isenheimer Altar von Grünewald steht Johannes rechts unter dem Kreuz. Sein Zeigefinger, der auf Jesus hinweist, ist überdimensional lang. Darunter stehen die Worte „Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen!“ Welch Gegensatz zwischen Johannes und Jesus! Johannes, der Asket in der Wüste, ein einsamer Rufer zur Umkehr, Jesus ständig in Kontakt mit Menschen aus allen Lebensbereichen verkündigt die Liebe Gottes und nicht das Gericht. Als ihre Mütter Elisabeth und Maria mit ihnen schwanger waren und sich im Gebirge trafen, ahnten sie von den Schicksalen ihrer Söhne noch nichts. Johannes kritisiert die Ehe des Herodes, er wird gefangengesetzt. Herodes erfüllt den Wunsch seiner tanzenden Stieftochter Salome und läßt Johannes enthaupten.
Wir feiern den Johannistag am Tag der Sommersonnenwende. Damit verknüpften unsere Vorfahren das Kirchenjahr mit dem Naturjahr, mit dem sie ja viel mehr verbunden waren, als wir es heute sind. Doch auch heute noch leuchten auf vielen Anhöhen in den Bergen die Johannesfeuer!
Hanna Strack
Trinität – die Dreifaltigkeit
Die Themen und Probleme, mit denen sich christlichen Theologen – und seit neuester Zeit auch Theologinnen- beschäftigen, ändern sich im Laufe der Jahrhunderte gewaltig. So fragte man sich in den ersten Jahrhunderten: Wenn Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott ist, wie verhalten sich dann Gott und Jesus zueinander? Sind sie eine Einheit? Und wenn Jesus zusammen mit Gott wirkt, wie steht dann der Heilige Geist zu ihnen? Die Kirchenväter haben darauf geantwortet: Gott und Christus und der Heilige Geist – alle drei wirken zusammen zum Heil von uns Menschen. So entstand die Lehre von der Dreifaltigkeit. Deshalb feiern wir den Sonntag „Trinität“, mehr noch: Wir beginnen jeden Gottesdienst im Namen Gottes, im Namen Jesu Christi und im Namen des Heiligen Geistes. Frauen haben entdeckt, dass das hebräische Wort ruach für Geist eigentlich ein weibliches Wort ist und sie übersetzen es mit „Heilige Geistin“. Im Grunde wissen wir ja, dass das Göttliche kein Geschlecht hat. Es ist gut, wenn wir uns immer wieder fragen: Was meine ich, wenn ich das Wort Gott, das Wort Heiliger Geist sage? So bleibt unser Glaube lebendig.
Hanna Strack
Kräuterweihfest – Mariä Himmelfahrt
Am kommenden Mittwoch feiern wir einen doppelten Frauenfesttag: Kräuterweihfest und Mariä Himmelfahrt. Die Weihe von Heilkräutern wie Schafgarbe, Holunder, Ringelblumen und Johanniskraut ist ein alter, vor-christlicher Brauch zu Ehren und zum Dank an die Mutter Erde, die uns immer wieder mit dem beschenkt, was wir für unsere Nahrung und Heilung dringend benötigen. Auf diesen Tag hat die katholische Kirche das Fest Mariä Himmelfahrt gelegt. Der Legende nach soll ein herrlicher Duft von frischen Blumen ausgeströmt sein, als Gott Maria in den Himmel – oder in den eschatologischen Zustand – aufnahm. Dieses Dogma wurde 1950 von Papst Pius XII verkündet. Es ist einerseits eine Ehre für die Frau, und dennoch steht die Priesterinnenweihe von Frauen noch aus. Der doppelte Frauenfesttag lehrt uns: Elementare Erfahrungen mit der Natur sind verknüpft mit religiösem Gehalt. Das mahnt uns heute: Wie wir mit den Frauen umgehen, so auch mit der Erde und umgekehrt! Stoppt die Gewalt gegen Frauen und gegen Mutter Erde!
Hanna Strack
Mk 8, 22-26
Der Predigttext für den heutigen Sonntag schildert uns, wie Jesu Hände mit einem Blinden umgehen, der seine Hilfe erbittet. Jesus nimmt ihn zunächst bei der Hand und führt ihn zum Dorf hinaus. Er bestreicht dessen Augen mit Speichel, legt seine Hände auf die Augen und fragt: „Siehst du etwas?“ „Ich sehe Menschen wie Bäume herumlaufen!“ V 24. Dann legt Jesus noch einmal die Hände auf und nun kann der Blinde alles scharf sehen. Wie nahe kommen sich beide durch diese körperliche Berührung, durch den Hautkontakt! Wir wissen, dass Hände heilen können. Es beginnt schon beim zärtlichen Streicheln, wenn ein Kind weint. Und sterbenden Menschen die Hand halten ist die letzte Wohltat, die wir ihnen oft geben können. Zu allen Zeiten gab und gibt es Menschen, die wie Jesus heilende Kräfte in ihren Händen spüren. Sie verstehen es als ein Geschenk Gottes. Doch auch wir, die wir diese besondere Kraft nicht haben, können mit unseren Händen Menschen berühren zu ihrem Wohle. Weil aber in unserer Gesellschaft manche Menschen so viel Nähe nicht ertragen können, ist ein feines Gespür für Distanz und Nähe nötig!
Hanna Strack
Psalm 146
Wir gehen in die neue Woche mit einem Psalm, der das positive Denken in uns stärkt: „Ich will Gott loben, solange ich lebe und ihm lobsingen, solange ich bin… Wohl den Menschen, die ihre Hoffnung auf Gott setzen!“ Während wir die folgenden Sätze lesen, beschäftigt uns die Frage: Welches Bild von Gott hat wohl diese Person, die den Psalm gebetet und aufgeschrieben hat? „Gott macht die Gefangenen frei. Gott macht die Blinden sehend. Gott richtet alle auf, die niedergeschlagen sind. Gott liebt Gerechtigkeit!“ Dieses Bild von Gott passt nicht zu dem gemütlichen älteren Herrn, das unsere Kindheit noch prägte, und auch nicht zum zornigen Richtergott. Wir müssen ein ganz anderes Bild von Gott entwerfen. Heute würden wir sagen: Gott ist wie einer, der energisch eintritt gegen alle Einschüchterungen. Gott rüttelt uns auf: Seht doch genau hin! Gott ist wie ein Therapeut, der Depressive lebensfroh macht, Gott ist ein Liebender – er liebt die Gerechtigkeit! Das sind dynamische Gottesbilder, die uns aufrichten, sodass wir erhobenen Hauptes in die neue Woche gehen können.
Hanna Strack
Mt 6, 21
Es ist wirklich unglaublich, wieviel Weisheit und Einsicht und Erkenntnis in der Bergpredigt steht, die uns Matthäus von Jesus überliefert hat. „Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz!“ Wir wollen diesem Satz heute nachspüren. Was ist denn das Allerwichtigste in meinem Leben, das was mich unbedingt angeht? Was steht ober auf der Prioritätenliste? Ein allgemeiner Blick auf unsere Gesellschaft zeigt, dass die Einkaufszentren die Rolle der Tempel übernommen haben, Geld im Lotto oder Fernsehen zu gewinnen, ist das höchste Glück – und auch Reisen in ein fernes Land. Und dann sind es die besonderen Lebenserfahrungen, die Grenzsituationen, die uns die Augen öffnen für diese Frage: Welches ist dein Schatz? Wo ist dein Herz? Nach einer schweren Erkrankung, einem Unfall, einer tiefen Lebenskrise leben wir plötzlich mit einem ganz anderen Bewußtsein. Unsere Augen strahlen aus einer Tiefe heraus, denn wir haben erkannt: Das Leben selbst, einfach lebendig zu sein, das ist der Schatz! Dankbar gehen wir mit dem neu geschenkten Leben um: Gott sei Dank! Bei Gott ist mein Herz!
Hanna Strack
Teresa von Avila über das Gebet
„Wir dürfen nicht vergessen, daß wir keine Engel sind, sondern einen Körper haben. Engel sein zu wollen, solange wir auf dieser Erde weilen – und so fest auf der Erde stehen wie ich – ist Unsinn.“ Das sind die Worte der Kirchenlehrerin Teresa von Avila, deren Gedenktag wir zu Beginn der Woche feiern. Kennen Sie diese Frau? Sie lebte eine Generation nach Martin Luther und wie dieser engagierte sie sich für Reformen. Sie reiste im Ochsenkarren durch ganz Spanien und riss die Frauen- und Männerklöster aus der Schluderei, führte ein von Gebet, aber auch von Humor erfülltes Leben ein. Sie ist dem Alltag der Menschen sehr nahe und wird dennoch zu mystischen Erfahrungen aus der Gegenwart herausgehoben. „Ich begriff, wie unser Gott in allen Dingen ist und wie er in der Seele ist, und mir kam das Bild eines Schwammes, der mit Wasser gefüllt ist.“ Beten ist zunächst wie mühseliges Wasserschöpfen aus einem Brunnen, dann mit einem Schöpfrad, dann wie ein Bach, der die Erde bewässert und als vierte Stufe ist es wie ein starker Regen, so beschreibt Teresa von Avila die Übungen des Gebetes.
Hanna Strack
Allerheiligen
Wir feiern in dieser Woche das Fest Allerheiligen. Für unsere vorchristlichen Mütter und Väter war es das Fest Halloween – All Hallows Eve. Sie stellten sich vor, daß während der Tagundnachtgleiche eine Spalte zwischen den Welten sich auftut und die Geister der Toten zu den Lebenden kommen, um ihnen zu weissagen und den Kindern Speisen und Süßigkeiten zu schenken. Unsere christlichen Vorfahren haben das Fest für „Alle Heiligen“ auf diesen Tag gelegt, um von den Heiligen Schutz in den Gefahren des Lebens zu erbitten. Am nächsten Tag folgt „Allerseelen“, der Gedenktag für die Verstorbenen und Fürbitte für sie. Heute sind diese Tage eine Zeit, in der wir unsere Toten auf den Friedhöfen besuchen. Es ist gut, daß wir einen Ort der Trauer haben. Das empfinden auch alle Menschen so, die an den Straßenrändern für die Verunglückten Kreuze, Blumen und manchmal sogar den Teddybär hinstellen. Einen Ort für das Trauern brauchen auch alle, die ein Kind vor oder während der Geburt verloren haben, eine Gedenkstätte für nicht beerdigte Kinder. Darum kümmern sich immer mehr betroffene Menschen. Laßt uns sensibel sein dafür, wie und wo wir trauern. Laßt uns den Ort und die Zeit für das Trauern in Ehren halten!
Hanna Strack
Reformationsfest
Bleibt in meiner Liebe! Joh. 15,9 Das sagt Jesus zu uns, damit seine Freude in uns bleibe und unsere Freude vollkommen werde. Das haben wir aber nie erfahren – die vollkommene Freude und die vollkommene Liebe. Kriegerwitwen neigten dazu, ihre Ehen als vollkommene Ehen zu schildern. Sie vergaßen vor Heimweh und Sehnsucht die Schattenseiten ihrer Beziehungen. Vollkommene Freude, vollkommene Liebe blitzen dennoch in kurzen außergewöhnlichen Augen-Blicken auf, die wir als Gottesbegegnungen begreifen dürfen. Wir feiern heute das Reformationsfest. Auch Martin Luther wollte die Liebe in den Mittelpunkt rücken und die Angst vor dem Fegefeuer und den Ablaßhandel aus der Kirche verbannen. Vollkommene Freude und vollkommene Liebe hat auch er mit seiner Reformation nicht entfachen können und seine Nachfolger beharrten wieder auf Glaubensgeboten. Aber wir bewahren uns diese Vision von der vollkommenen Freude und der vollkommenen Liebe, die Jesus uns anbietet. Wir resignieren nicht. Wir bleiben in Jesu Liebe, die zugleich Gottes Liebe ist.
Hanna Strack
2. Sonntag nach Ostern
Der zweite Sonntag nach Ostern trägt den Namen „Misericordias Domini“ nach dem Anfang des Lesepsalmes, der in der alten Kirche für den Gottesdienst ausgewählt war: „Der Güte des Herrn ist die Erde voll“ (Ps.33,5).
In diesem Jahr fällt auf den 29.4. auch der Gedenktag für die Mystikerin, Visionärin und Politikerin Katharina von Siena, die von 1347 bis 1380 in Italien lebte. An diese bedeutende Frau knüpfen heute katholische Theologinnen an, wenn sie auf diesen Tag auch den Gedenktag für die Diakonin legen. Die Heilige Katharina erwarb in der damaligen Kirche einen großen Einfluß und trat den Päpsten ihrer Zeit mutig gegenüber und kritisierte sie. Heute wollen Frauen erreichen, dass für sie das Diakonat, diese unterste der Weihen, zugänglich wird, damit sie so ihre geistliche Berufung leben können. Das gibt uns den Anlass in der kommenden Woche darüber nachzudenken, wer in der Kirche leitende Funktionen und geistliche Würde haben soll, eine Frage, die heute besonders aktuell ist, weil Frauen Theologie studieren, also nicht nur wie die Heiligen eine persönliche Berufung, sondern auch eine qualifizierte Ausbildung haben.
Hanna Strack
Joh 14, 15+16
Wir leben gerade in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten, in der Woche nach Himmelfahrt. Da wird die Frage laut: Welches Erbe hat Jesus uns hinterlassen, als er zu Gott zurückging?
Der Johannesevangelist legt Jesus in seinen Abschiedsreden die Worte vom Tröster in den Mund: „Wenn ihr mich liebt und wenn ihr das Gebot der Liebe haltet, dann werdet ihr einen anderen Tröster bekommen, einen Beistand.“ Jesus spricht von dem Geist der Wahrheit, der von Gott ausgeht. Noch anderes wird vom Tröster ausgesagt: Er wird uns an alles erinnern, was Jesus gesagt hat. Er wird uns lehren, was Gerechtigkeit, Sünde und Gericht ist. Was ist Wahrheit? Es ist kein statisches Gesetz, es ist eine Bewegung, die von Gott ausgeht, die Jesus weitergegeben hat und die in der Liebe erfahren wird.. Dann stimmt nicht der Satz: die Liebe macht blind. Dann heißt es: Die Liebe macht sehend, sie erkennt das, worauf es ankommt, sie erkennt die Wahrheit. Das ist die Frage, die uns in dieser Woche bis Pfingsten begleitet: „Worauf kommt es an, wenn die Liebe Macht haben soll?“
Joh 8, 1-11
„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“ Joh 8,7b. Wir kennen diese Szene aus vielen Bildern der Kunstgeschichte: Jesus auf der einen Seite, ihm gegenüber eine Gruppe aufgebrachter Männer, die eine Frau, eine Ehebrecherin, zu Jesus bringen. In ihren Fäusten halten sie Steine. Jesus malt in den Sand – ein kurzer Moment der Ruhe kehrt ein -, dann sagt er: „ Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“. Diese Worte verstehen wir sofort. Aber was wir überhaupt nicht verstehen können: dass jahrhundertelang im Namen des Christentums Frauen als Hexen denunziert, angeklagt, gefoltert, verurteilt und am lebendigen Leibe verbrannt wurden. Und heute, 250 Jahre nachdem der letzte Scheiterhaufen brannte, fragen wir uns: Hat es je ein Schuldbekenntnis der Kirchen gegeben? Es ist uns nur von der Synode der Bayerischen Kirche eine solche öffentliche Erklärung bekannt. Wie so oft gebietet oder verbietet Jesus hier nicht. Er appelliert an die Einsicht und die Selbsterkenntnis. Dem schließen wir uns an und gehen nachdenklich und auch wütend in die kommende Woche.
Hanna Strack
Jes 43, 1-7
„Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen. Wenn du durch Feuer gehst, sollst du nicht verbrennen und die Flamme soll dich nicht versengen!“ Ich stelle mir vor: Meine Sorgen türmen sich wie Wasserwellen vor mir auf, die Forderungen und das Gezerre im Alltag, die Kritik einiger Kirchgänger an meiner Lebensgestaltung, der ungewisse berufliche Werdegang meines Kindes, und die Sorge um das größer werdende Ozonloch! Und nun die Botschaft an diesem Sonntag: Gott will bei mir sein, dass mich diese Sorgen nicht ersäufen sollen! Ich stelle mir vor: Ich bin ausgebrannt – burned out – eine innere Leere macht mich müde, um mich herum verbrannte Erde in meinen Beziehungen zu Menschen, die ich liebe. Und nun die Botschaft an diesem Sonntag: Du sollst nicht verbrennen, die Flammen sollen dich nicht versengen. Und in diesem Augenblick atme ich tief durch, mein Blick weitet sich. Dankbar nehme ich an, was der Sonntag mir sagt und trage es durch die Woche in meinem Herzen.
Hanna Strack
Die Samariterin am Brunnen Joh 4
Ins Gespräch vertieft stehen Jesus und die Frau aus Samaria am Brunnen. Sie sprechen über die Frage: „Wo wohnt Gott?“ „Gott ist Geist und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Joh 4,24. Gott ist Geist – dazu können wir ohne weiteres Ja sagen. Dieser Satz hilft uns bei der Abnabelung von unseren kindlichen Gottesbildern, die Gott als warmherzigen väterlichen Freund im hohen Alter oder als strafenden Weltenrichter vorstellen. Gott ist Geist, das ist kein anschauliches Bild von Gott, es ist eher eine Erkenntnis. Und schon finden wir die Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Wo ist Gott? Jesus sagt, Gott ist dort, wo Wahrheit ist. Wahrheit ist in den Worten eines Kindes, Wahrheit finden wir, wenn wir in der Klarheit eines frühen Morgens spazieren gehen, Wahrheit entdecken wir, wenn wir im Gesprächskreis die verschiedenen Meinungen abwägen, Wahrheit erfasst uns, wenn wir plötzlich einen Text der Bibel verstehen. In den Zeitungen begegnet uns Wahrheit leider oft nur zwischen den Zeilen! Und so wollen wir Gott in der kommenden Woche anbeten: Im Geist und in der Wahrheit!
Hanna Strack
Christfest
Es ist höchste Zeit, dass ich mich befreien lasse von den Zwängen meiner Kindheit, von der Angst darum, was wohl die NachbarInnen sagen und von der Angst vor der Zukunft der Erde. Ich nehme den ausgestreckten Arm und lasse mich aus dem Abgrund der Ängste, der Bedrängnisse, ziehen. Danke, Gott, lieber Vater, du bietest mir deine Arme an. Du hast dich im Schoß einer Frau auf dieses unser Leben eingelassen. Du bist solidarisch mit uns. Du kennst das Leben. Du verbreitest den Glanz der Liebe und kennst ihre Ohnmacht. Viele Gedanken kommen mir gerade am Christfest, Gedanken über meine Beziehung zum Göttlichen und zu Jesus von Nazareth, der der Christus ist. Oft noch wirr, aber eingebettet in dieses Wort: Du bist frei, nicht mehr Knecht oder Magd, sondern Gottes freier Sohn, Gottes freie Tochter: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau… Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist des Sohnes gesandt in unsere Herzen, der da ruft. Abba, lieber Vater! So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind…“ Gal 4,4-7
Hanna Strack
Tag der Bitte um Frieden und Schutz des Lebens.
Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten ihre Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht Gottes nicht wissen. Jer 8,7. Gerne besuchen wir im Herbst den Sammelplatz der Kraniche. Rauschend fliegen sie in Scharen herbei, um dort im Wasser stehend zu schlafen – geschützt vor den Feinden, bis sie alle gemeinsam in den Süden ziehen. Wir staunen über die Sicherheit, mit der sie tun, was ihnen gut tut. Der Prophet Jeremia fordert uns auf, die Natur genau zu beobachten. Die Tiere sind uns ein Vorbild, weil sie fraglos in ihrer Ordnung leben. Wir Menschen brauchen auch die Sicherheit einer Ordnung, es ist für uns die Rechtsordnung. Gottes Recht gibt jedem, was ihm zusteht. Wie bitter ist Rechtsbeugung für die Opfer! Wie bitter ist es, wenn die Medien den Täter in den Mittelpunkt stellen! Wie die Kraniche in der Schöpfungsordnung, so wollen wir in unserer Rechtsordnung Sicherheit und Geborgenheit finden! Aber im Gegensatz zu den Tieren, müssen wir es uns immer wieder erkämpfen!
Hanna Strack