Hanna Strack » Sexualität im Alter

Julia Reiner: Sexualität in Vorarlberger Pflegeheimen. Ausgangsbedingungen für gelebte Sexualität auf organisatorischer und personeller Ebene. Alternswissenschaft Bd 6 Wien: LIT-Verlag 2015, 163 S.

 

Julias Reiner abreitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule Vorarlberg

 

Das Buch stellt eine Untersuchung vor, die von drei Fragen ausgeht, die sich auf Vorarlberger Pflegeheimen konzentriert und auf einer ExperInnenbefragung basiert:

Welche Ausgangsbedingungen für gelebte Sexualität von HeimbewohnerInnen herrschen in den Heimen vor? Welche organisatorischen Rahmenbedingungen für die gelebte Sexualität von HeimbewohnerInnen liegen in in den Heimen vor? Welche Einstellungen besitzt das Pflegepersonal zum Thema Sexualität im Alter?

 

Im ersten Teil werden Zugänge zum Thema Sexualität im Alter und speziell in Pflegeheimen eröffnet. Dieser Teil endet mit der Frage: Ist Sexualität im Pflegeheim ein Thema für die Soziale Arbeit?

Im zweiten Teil wird zunächst die Methodik der Befragung: Untersuchungsdesign, Untersuchungseinheiten, Erhebungsinstrumente und den Untersuchungsablauf, die Fragebochenuntersuchung wird dargelegt. Zum Schluss wird das Datenmaterial aufbereitet und ausgewertet. Im letzten Kapitel „Diskussion“ werden die Ergebnisse zusammengeführt und praktische Folgerungen für die Klinische Sozialarbeit gezogen. Eine Methodendiskussion führt zum Ausblick auf notwendige weitere Untersuchungen wie zur körperlichen Zuwendung und Bedürfnis nach Nähe, zu sexuellen Wünsche und Aktivitäten, Sexualität und Demenz, Konfrontationen und Belastungen des Pflegepersonals und zur Homosexualität,

 

Julias Reiner stellt fest, dass Sexualität kein Tabuthema ist, sondern im Team besprochen wird. Das Personal hat weitgehende positive Einstellungen, es gibt nur wenig negative Haltungen.

Das Thema wird anlassbezogen aufgegriffen. Doch Übergriffe werden als schwierig und überfordernd erlebt.

 

Die Einstellung des Pflegepersonals ist von zentraler Bedeutung. Die Pflegenden werden mit dem Thema konfrontiert, z. B. ob sie anklopfen, wenn sie eintreten wollen, ob sie Humor haben, der jedoch nicht anzüglich sein darf und ob sie eine offene Kommunikation pflegen. Doch auch sie sind Einflüssen unterworfen, sei es durch ihr Wissen und ihre Erfahrung, wobei die Religion kaum eine Rolle spielt. Die Ergebnisse der ExpertInnenbefragung werden zusammenfassend bewertet: gewisse Formen der gelebten Sexualität stoßen auf eine breite Akzeptanz. Öffentliche sexuelle Aktivitäten sowie Übergriffe werden von einem Teil der Befragten „nicht per se als unanständig ausgewiesen und als eine Form der Bedürfnisäußerung betrachtet.“ (S. 111)

 

Sexualität stellt ein mehrdimensionales Phänomen dar und hat weitreichende Implikationen für die (Geschlechts-)Identität, die Gesundheit und die Lebensqualität einer Person, insgesamt sind es biopsychosoziale Faktoren. Diese gestalten sich bin ins hohe Alter unterschiedlich aus.

 

Pflegeheime sind keine totale Institutionen. Auch dort will Sexualität gelebt werden. Zu den Bedingungen gehören die Privatsphäre zu achten, die Bereitschaft auf organisatorische Ebene für diese Thematik, Unterstützungsmaßnahmen, jedoch stets im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, wie z. B. bezahlte sexuelle Dienstleistungen oder die Beschaffung von Hilfsmedien.

Auch für die Soziale Arbeit ist Sexualität im Alter ein Thema, denn es handelt sich um biologische, biopsychische und soziale Bedürfnisse. Das gilt gerade auch für Klinische Sozialarbeit im Bereich der Altenhilfe.

 

Sexualität im Alter ist eine Frage der Menschenrechte. Im Rahmen der in den letzten Jahren zunehmenden Veröffentlichungen zu diesem Thema ist die Arbeit von Julia Reiner ein weiterer Beitrag, der den Diskurs bereichert.

 

Hanna Strack  www.hanna-strack.de