Hanna Strack » Predigt zu 1. Korintherbrief 1, 18-25

Die Liturgischen Texte und Lieder konnen Sie hier einsehen:

5.n.Trinitatis

 


Liebe Gemeinde!

Kein anderes Buch der Bibel ist so verwoben mit der Situation und den Problemen der Gemeinde, für die es geschrieben ist, wie die Korintherbriefe des Apostels Paulus.

Deshalb stellen wir uns heute einmal vor, wie das wohl war, als die kleine christliche Gemeinde im Hafengelände von Korinth in Griechenland ihren Gottesdienst feierte. Kaum war das letzte Lied erklungen, stand Irene, die Gemeindeleiterin, auf und sagte: „Heute habe ich wieder einen Brief zum Vorlesen bekommen. Der Apostel Paulus wusste ja von unseren Streitereien und jetzt hat ein Bote einen Brief von ihm gebracht. Darin ermahnt er uns, in Christus eins zu sein und dabei nicht zu vergessen, dass er als Folge für seine Verkündigung am Kreuz gestorben ist, aber von Gott wieder auferweckt wurde. Ich lese den Brief jetzt euch allen vor.“

 

Wir müssen nämlich wissen, dass dort in der Gemeinde jeder und jede seinen und ihren eigenen Fan-Club hatte. Die einen waren Stephanusjünger, die anderen Kephas-Leute, wieder andere die Chloe-Leute. Und unter den Gemeindegliedern waren viele, die noch der griechischen Philosophie anhingen oder noch mit der jüdischen Synagoge verbunden waren.

 

Irene fängt also an. Aber ich lese Ihnen jetzt aus dem Brief nur die Stelle vor, die unser Predigttext heute ist:

Paulus schreibt: „Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist’s eine Gotteskraft. Denn es steht geschrieben im Propheten Jesaja: ‚Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.’

Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben.“

Da beginnt ein Rumoren unter den Frauen und Männern. Einer ruft: „Was bildet der sich ein, ich habe doch griechische Philosophie studiert, ich weiß doch, worauf es ankommt und was Weisheit ist!“ Und eine Frau sagt erregt: „Ich bin eine Schriftgelehrte. Es kann nicht sein, dass das jetzt überhaupt nichts mehr bedeutet!“

 

Aber Irene meint: „Paulus kommt gleich auf den Punkt zu sprechen, der ihm wichtig ist, nämlich, dass Christus zu uns als Gottes Kraft und Weisheit gekommen ist.“ Und sie liest ruhig weiter: „Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind.“

Kaum war Irene fertig mit diesen Versen, da entstand eine heftige Diskussion: „Was ist dann also Weisheit, wenn nicht die der Philosophen? Was soll das sein, das Wort vom Kreuz? Warum soll das eine Torheit sein für die Griechen? Müssen wir nicht Wunder sehen, um zu glauben?“

 

Jetzt meldet sich Mirjam zu Wort, sie ist eine aus der Frauengruppe, die im Hafen arbeitet: „Ihr wisst nicht, was das Kreuz Jesu bedeutet? Meine Tante Salome war dabei, als Jesus starb und meine Freundin Maria Magdalena auch. Sie hat es mir persönlich erzählt. Ich will euch mal etwas sagen: Die Frauen, die Jesus bis zur Kreuzigung und bis zu seinem Tod begleitet haben, sie haben ja durchgehalten und sie wissen, was das Wort vom Kreuz ist, wie Paulus sich ausdrückt, und was dieses Wort uns zu sagen hat.“

Jetzt steht ein bärtiger alter Mann auf und wird richtig böse. „Die Frauen sollen endlich den Mund halten. Was ist das für eine Ungezogenheit!“

Aber Mirjam lässt sich nicht beirren:

„Deshalb sage ich Euch: die Weisheit, die Paulus gegen die Weisheit der Philosophen verkündet, ist das was die Frauen getan haben: Sie waren nicht hochmütig und dachten, das haben wir ja gleich gewusst, dass es nichts wird, sie waren aber solidarisch mit dem sterbenden Jesus. Die Frauen unter dem Kreuz waren auch nicht ängstlich, sondern sie haben mit dem Verurteilten gelitten. Das ist die Weisheit Gottes, die Gottes Kraft in uns wirken lässt: Solidarität und Mitleiden ohne auf Wunder zu warten.“

Wir können uns jetzt vorstellen, dass es im Gemeindesaal in Korinth ruhiger wurde, die meisten wurden nachdenklich.

 

An dieser Stelle verabschieden wir uns von der Gemeinde in Korinth, die ihren Gottesdienst jetzt mit einem Abendmahl weiterführen wird. Wir reisen zurück in das Jahr 2010 und in unseren eigenen Gottesdienst.

 

Und nun lese ich den Predigttext noch einmal und frage dann: „Was sagt uns Paulus heute?“

„Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist’s eine Gotteskraft. Denn es steht geschrieben im Propheten Jesaja: ‚Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.’

Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben.“

 

Das ist tatsächlich verwirrend. Die Worte Weisheit und Torheit, Schwachheit und Stärke werden wie Bälle hin- und hergeworfen. Und was ist das Wort vom Kreuz? Inwiefern ist Christus Gottes Kraft und Weisheit?

 

Ich halte mich jetzt an das, wie die Frauen unter dem Kreuz sich verhalten haben, wie sie in dieser extremen Situation gelebt haben. Sie haben ja tatsächlich Christus als Gottes  Weisheit erfahren.

Und nun will ich Ihnen diese Tugenden der Frauen wie eine Perlenkette aufreihen. Es sind dies: Solidarität und Mitleiden, Treue halten und Mut zur öffentlichen Trauern, Ausdauer und Phantasie.

 

Dazu will ich Ihnen Beispiele geben:

Aus Solidarität und Mitleiden mit den Opfern hatte ich 1993 zum Ev. Kirchentag in München Frauen aus Kiew eingeladen. Sie berichteten uns, wie die verschiedenen radioaktiven Strahlen auf den Frauenkörper wirken, ihn zerstören und Fehlgeburten und kranke Kinder sind die Folgen.

Von den beiden nächsten Tugenden,  der Treue zu einem geliebten Menschen und der öffentlichen Trauer um den Tod erzählte mir eine Frau, deren Mann plötzlich starb. Sie sagte, dass die Menschen ihrer Umgebung mit wissen, wie sie ihr begegnen sollten, was sie sagen könnten, sie weichen ihr dagegen aus. Und einmal wurde sie gefragt, warum sie nach 3 Monaten immer noch schwarze Kleidung trage.

Die letzten der Tugenden, Ausdauer und Phantasie, weisen in die Zukunft: Wo investiere ich meine Kraft, wofür mein Engagement?  Beispiele dafür finden Sie in Ihrem eigenen Leben, wenn Sie an Ihren Einsatz für andere, für die Gemeinde denken, mit dem sie auch für die Zukunft sorgen. Ich selbst denke an meine Enkelkinder, die im Überfluss aufwachsen. Ich versuche Ihnen ein Vorbild zu sein mit einem verünftigten Umgang mit den Ressourcen der Natur.

Liebe Gemeinde, diese Tugenden – Solidarität, Mitleiden, Treue, Mut zur öffentlichen Trauer, Ausdauer und Phantasie – sie sind aus der Kraft des Kreuzes Christi erwachsen, nicht aus der philosophischen Weisheit, nicht aus der Erwartung von Wundern. Ja, sie sind tatsächlich, wie unser Predigttext sagt, Gottes Kraft und Weisheit, denn die Torheit Gottes ist weiser und die Schwachheit Gottes ist stärker als wir Menschen sind. Denn es sind Tugenden, die wahrhaftig den Menschen dienen.

Amen