Hanna Strack » Predigt über die Heiligen Frauen

in der Pfarrkirche in Güstrow, gehalten am 3. Juli 2011:

 

Liebe Gemeinde,

im Bus fuhren wir durch Mecklenburg zu den Heiligen Frauen auf unseren Altären: eine ökumenischen Frauengruppe aus dem Rheinland und ich. Die Katholikinnen fragten die Protestantinnen: „Warum interessiert ihr euch für die Heiligen Frauen, wir sind froh, endlich diese Ballast hinter uns zu haben, die Evangelischen antworteten: „Bei uns gibt es überhaupt nichts Weibliches oder Frauliches in der Theologie. Maria ist uns zwar bekannt, aber sie kommt in unserer Theologie und in unseren Predigten eigentlich nur an Weihnachten vor. Da sind wir einfach neugierig, welche Lebensentwürfe hinter diesen so schönen Altarfiguren stecken!“

Eine ganz andere Einstellung zum ökumenischen Zwiegespräch enthält das (Lied 253), das wir nach der Predigt singen werden: „Ich glaube, dass die Heiligen im Geist Gemeinschaft haben“ aber die Heiligen der katholischen Kirche wollen dank ihrer Gnadenwerke für uns eintreten bei Gott – dagegen unser evangelischer Glaube: „Wir haben einen Christus nur, den einigen Erlöser“. Vor Gott recht sind wir nur dank Jesus Christus! Das ist gute lutherische Theologie.

Uns also hat die Neugierde zum Reisen gebracht, was uns diese Frauengestalten wohl aus ihrem Leben und ihrer Geschichte zu sagen haben.

Was ist uns Reisenden dann aufgefallen im Anblick der großen und kleinen Altäre?

1. Diese Frauen zeichnen sich nicht durch sozialen Dienst aus, wie wir erwartet hätten, sondern durch Bekenntnis ihres Glaubens. Eine Ausnahme erkannten wir in Elisabeth von Thüringen, die hier im Norden immer mit einem Krug und einem Teller mit zwei Fischen gezeigt wird. Sie hatte ja ihr Geld und ihr Leben den Kranken verschrieben und schon als Jugendliche und Jungverheiratete auf manches verzichtet, wenn es die Armen in ihrem Land nicht hatten.

2. Eine andere Besonderheit bei uns in Mecklenburg und Pommerschen Kirchen ist: Maria Magdalena wird hier nicht als Sünderin und Büßerin dargestellt sondern als würdige Bürgersfrau. Warum? Vielleicht unter dem Einfluss von Lübeck, dessen Patronin Maria Magdalena war? Wir kennen sie ja aus der Bibel:  Jesus hatte Maria Magdalena von sieben Geistern befreit, worauf sie seine Jüngerin wurde, ihn wie andere Frauen beim Sterben nicht verließ, sondern mit den anderen Frauen sein Grab aufsuchte, um seinen Leichnam zu balsamieren, und dann wurde sie die erste Zeugin der Auferstehung. Wir sehen diese Szene rechts unten auf dem Flügel des Altars: Maria Magdalena kniet vor dem Auferstandenen, den sie in dem Gärtner erkennt. Sie hat schöne geflochtene Zöpfe.

Erst danach hat man sie fälschlicherweise mit der Sünderin identifiziert, die Jesus die Füße wäscht. Hier sehen wir sie mit dem Salbgefäß auf dem Weg zum Grab. Sie ist die einzige biblische Frau, von Maria abgesehen, denn auch die Hl. Anna kommt ja nicht im NT vor.

Nun möchte ich unseren Blick wenden auf eine besondere Gruppe aus drei Frauen, der so genannte Frauendreier.

Margarete mit dem Wurm,

Barbara mit dem Turm,

Katharina mit dem Radl,

das sind die drei Heiligen Madel.

 

So dichteten die Bayern.

Margarete kämpfte nicht gegen den Drachen, sondern sie zähmte ihn und führte ihn am Gürtel hinaus. Katharina war ausgesprochen schön, verweigerte aber die Heirat, siegte im Wettstreit mit vielen Gelehrten und wurde gerädert und mit dem Schwert enthauptet. Hier in Güstrow ist sie ja keine unbekannte, denn auf einem Flügel des Altars steht sie mit ihrer Märtyrerinnenkrone, den Fuß auf den am Boden kauernden Kaiser Maxentius gesetzt, in großer Würde. Das Rad erinnert auch daran, dass Katharina in der vorchristlichen Zeit eine Sonnenfrau war.

Auch Barbara lehnte eine Heirat ab – es ist ein verbreitetes Motiv, ja Klischee der Heiligenlegenden – sie wurde von ihrem Vater in einen Turm eingesperrt, weil sie dem christlichen Glauben nicht abschwören wollte.

Margarete wird auf unseren Altären mit einem kleinen Drachen, oft eher als „Wurm“ dargestellt, Katharina mit dem gebrochenen Rad, dem Schwert und manchmal mit Kaiser Maxentius oder Maximinus zu ihren Füßen.

Barbara mit einem Turm, aber oft auch mit Kelch und Oblate, denn sie hatte Sterbenden die letzte Ölung gegeben.

 

Hinter diesen christlichen Märtyrerinnen steht eine lange Tradition, die auch schon vorchristliche Wurzeln hat: eine vorchristliche weibliche Dreieinigkeit. Sie reichen bis nach Südtirol und in das Rheinland, auch bei Hildegard von Bingen, der großen Theologin, Ärztin, Komponistin des Mittelalters, habe ich diese Dreiheit entdeckt: Drei Frauen symbolisieren die drei Lebensphasen der Frau, die junge kreative, die reife Frau in der vollen Blüte ihres Lebens und die alte weise Frau, die auf den Tod zugeht.

 

Jetzt will ich hinweisen auf diese Frauen im Kamm. Sie können sie von weitem nur ahnen:  Maria Magdalena die 3. von links, Margarete die 5., Katharina die 6., Barbara mit dem Turm und dem Kelch die 9., Elisabeth rechts außen, sie liest hier ein Buch und zu ihren Füßen sehen wir einen Bettler.

 

Die drei Lebensalter der Frau: als junge Frau ist sie kreativ, sei es, indem sie ein Kind gebiert, oder sei es, dass sie auf vielen anderen Gebieten kreativ ist. Im Mittelalter wurde die Geschichte der Margarete, wie sie den Drachen zähmt, während der Geburt vorgelesen! Sie ist unter anderem auch die Patronin der Gebärenden.

Katharina steht für die reife Frau, die klug ist, lebenserfahren, umsichtig, auf dem Zenit ihrer Kraft und Schönheit.

Barbara ist die Sterbebegleiterin. Wir kennen sie von dem alten Brauch, Barbarazweige am 4. Dezember in die Vase zu stellen, wenn im Winter alles abstirbt, und die dann an Weihnachten blühen. Sie symbolisieren die neue Hoffnung der Auferstehung. In jeder Lebensphase haben Frauen ihren unmittelbaren Bezug zum Göttlichen!

Margaretes Gedenktag ist der 20. Juli, Katharinas Gedenktag der 25. November, der Tag, an dem heute der Gewalt gegen Frauen und Kinder gedacht wird, Barbaras Tag kennen wir: der 4. Dezember.

 

Heute sind die drei Lebensphasen nicht mehr so scharf zu trennen. Junge Frauen warten oft lange, manchmal zu lange, auf die Zeit zum Kinderkriegen, und oft sind Frauen noch lange bis ins Alter hinein kreativ, ja sie entdecken erst nach den Wechseljahren oder im Ruhestand ihre besonderen Begabungen und entfalten sie. Auch von Hochbetagten sprechen wir heute, die auf ein langes Leben zurückblicken können, mit Höhen und ungeheuren Tiefen, wenn sie Krieg und Flucht miterleben mussten, dann die Wende ….

Dieser Frauendreier und die drei Lebensphasen, die sie symbolisieren, stehen weiterhin dafür, dass unser Bezug zu Gott, unser Glaube und unsere Leben aus dem Glauben vielfältig ist und sich jeweils ändern können. Wir sprechen heute von Spiritualität – Spiritualität der werdenden Familie – hier gibt es noch zu wenig Texte, ein sehr vernachlässigtes Thema, das zu Unrecht hinter der Taufe unsichtbar gemacht wird. Spiritualität als soziales Engagement der reifen Frau, Spiritualität als Gelassenheit und Schwellenerfahrungen im Alter.

Was würden Katharina, Barbara und Margarete heute sagen und tun?

Margarete würde als Hebamme auch spirituelle Begleitung anbieten, Meditationen, Gebete und Segen über dem Neugeborenen, vor allem auch Trost bei unglücklich verlaufenden Schwangerschaften, zumal heute durch den Ultraschall so viele Frauen verunsichert werden. Sie würde Vorbereitungskurse anbieten, in denen sie auch sagt, dass die Geburt ein Schöpfungsereignis ist. Und sie wäre vielleicht wieder bei Taufen dabei, so wie es früher mal war.

Katharina würde vielleicht ein Buch schreiben über den Dialog zwischen Christentum und Atheismus, sie würde zu Diskussionen in den evangelischen Akademien eingeladen, sie wäre vielleicht unverheiratet, aber erfüllt von ihren Aufgaben und einem großen Freundeskreis.

Barbara hätte noch mitgekämpft um die Frauenordination und wäre heute Pastorin, Krankenhausseelsorgerin,  vielleicht auch Psychotherapeutin für alle Menschen, die wie sie eingeschlossen in einem Turm leben, weil die Umstände und die mangelnden seelischen Kräfte dazu führten.

Wir können hier noch weiter spinnen und weben und uns aus der Spiegelung mit den Heiligen Frauen aus unseren Altären berühren lassen von Gott: In welcher Lebensphase bin ich heute? Wie erfahre ich heute meinen unmittelbaren Bezug zum Göttlichen?

Ich schließe mit einem humorvollen Gedicht, das an die bäuerliche Lebensweise in unserem Land erinnert, und in dem noch eine sehr volkstümliche Seite der Katharina aus dem frauenrechtlichen Brauchtum zum Ausdruck kommt. Pastorin Annette Kalettka hat es gedichtet und bezieht auch das heutige Leben von Frauen in unserem Land mit ein:

Doch durch das Rad –

war es um Katharina schad.

Die Frauen und Mädchen, die spinnen und weben,

die haben dem Rad neues Leben gegeben.

Sie wählten mich zu ihrer Begleiterin.

In Mecklenburg-Vorpommern bin ich  – neben Maria –  in fast jeder Kirche drin.

Ja, es gibt hier im Norden noch viele Frauen.

Die schönen und klugen jedoch gen Westen schauen.

Doch einige bleiben und geben das Beste –

Nicht nur im Alltag, sondern auch beim Feste.

Vielleicht dauert es nicht mehr lang

und dann ist auch in Mecklenburg der Kathreinstag dran.

In Belgien ist er längst Tradition,

da gehen die Frauen von Station zu Station

und besuchen einander mit manch lautem Ton.

Auch Mädchen sind dabei –

sie haben an diesem Tag sogar schulfrei.

Das Spinnen hat dann Ruh –

nur beim Tanzen schaut frau einander zu.

Lasst auch uns einstimmen in diesen Reigen

und einander das Tanzen zeigen.

Heißa, Kathareinerle, schnür dir die Schuh …