Hanna Strack » Meine Ordination

 

Erinnerung an meine Ordination am 9. Mai 1965



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Foto: Schwarzwälder Bote, 12. 5. 1965
Links: Mein Religionslehrer, Bruder Clemens, Waltraud Sattler, rechts von mir Bruder Schmidt, Pfarrer der Herrnhuter Brüdergemeine in Königsfeld


Ich wurde am 9. Mai 1965 im Kirchsaal in Königsfeld von Pfarrerin Waltraud Sattler ordiniert. Wir waren uns damals beide nicht bewusst, welch historisches Faktum das war!
Und das kam so: Nach dem 1. kirchlichen Examen 1963 in der Badischen Landeskirche wurden wir Frauen noch in Sonderlehrvikariate gegeben. Ich kam in das Internat Gaienhofen am Bodensee. Nach dem 2. Examen 1965 wurden wir gleich behandelt wie die Männer, da inzwischen die Synode das Theologinnengesetz beschlossen und Durchführungsbestimmungen erlassen hatte.

 

Pfarrer Adolph, mein Lehrvikariatspfarrer, sollte mich ordinieren, er war aber inzwischen Oberkirchenrat geworden und der Termin war anderweitig besetzt. Nun habe ich Pfarrerin Waltraud Sattler, Leiterin des Mädchenwerkes in Karlsruhe, vorgeschlagen und darauf beauftragte OKR Adolph sie, mich zu ordinieren. Waltraud Sattler hatte 1951 Examen gemacht und als sie kurz danach bei der Ordination eines Kommilitonen zwischen den Gemeindgliedern in der Kirchenbank saß, hatte sie für sich selbst beschlossen: Diese Ordination ist auch die Meine! 1952 wurde sie dann zusammen mit sieben Pfarrvikarinnen jeden Alters von Oberkirchenrat Dürr eingesegnet. Sie bekam 1968 eine Pfarrstelle in Heidelberg, für die sie zunächst beauftragt war. Drei Jahre später bekam sie das Pfarramt „inne“, wie es hieß. Sie sollte nun eingeführt werden, aber sie war längst von der Gemeinde als ihre Pfarrerin anerkannt und die Kirchenältesten sagten: „Dieses Theater machen wir nicht mit!“ 
Die Gleichberechtigung der Theologin war nun also gesetzlich verankert, wenn es auch für die Männer nicht leicht war, sich daran zu gewöhnen. So meinte der Leiter des Predigerseminars nach meiner Examenspredigt wohlwollend, ich müsse keine undurchsichtigen schwarzen Strümpfe tragen! Pfarrer Schuchmann, dem ich als Vikarin (andererorts Pfarrerin z.A.)

 

In der Gemeinde Karlsruhe-Mühlburg zugeteilt wurde, war Kavalier der alten Schule, er behandelte mich höflich und vollkommen gleichberechtigt. Je einer von uns beiden hatte eine Woche lang Kasualiendienst, der andere Gottesdienst am Sonntag und dies in regelmäßigen Wechsel. So kam es, dass ich einen angesehenen Bäckermeister beerdigte und kritische Stimmen hörte: „Warum schickt er die Vikarin?“ Aber nur einmal wollte ein Ehepaar sein Kind nicht von mir taufen lassen, weil die pietistische Verwandtschaft das ablehnte, was ihnen sichtlich unangenehm war. Als ich 1972 nach München zog, erhielt ich vom OKR Karlsruhe die Erlaubnis, den Titel „Pfarrerin“ im Zusammenhang mit geistlichen Aufgaben zu benutzen. Das hat mir in den vielen Jahren des Schulunterrichtes und der privaten Höhen und Tiefen sehr geholfen.

 

Warum habe ich mich in eine Kirche hinein ordinieren lassen, obwohl ich ihr bis heute kritisch gegenüber stehe? Ich studierte Theologie, weil ich es wissen wollte, weil ich selbst an die Wurzeln hinunter graben wollte: Was ist der Kern dieses Christentums, das meine kriegs-brüchige Kindheit und meine pietistisch-weltoffene Schulzeit im Zinzendorf-Gymnasium in Königsfeld so stark geprägt hatte? Und: Was ist Glaube in heutiger Zeit? Ist es richtig, den Unterschied von Kirche und Welt zu postulieren? Der Neutestamentler und Hermeneutiker Ernst Fuchs wurde mein Vorbild beim Graben nach den Wurzeln. Bei ihm lernte ich, dass Glaube eine existentielle Erfahrung sowohl bei Jesus als auch bei mir sei. 
Als ich 50 Jahre alt war, entdeckte ich die feministische Theologie und die Kreativität von Frauenliturgien, mit 53 Jahren die Freude am Schreiben. Mit dem Schreiben der Segenstexte betete ich, indem ich Gott und Lebenswirklichkeit zusammen sprechen wollte. Ich vermisse noch heute die Definitionsmacht der Frauen in Theologie und Kirche. Meine Arbeit am FrauenKirchenKalender und an meinem neuen Thema „Theologie der Geburt aus der Perspektive von Hebammen“ haben mir gezeigt, wie langwierig es sein wird, Lebens- und Glaubenserfahrungen von Frauen in der Gemeinde zur Sprache zu bringen.

 

Mit meinen katholischen Schwestern leide ich, weil sie offiziell nicht zu Priesterinnen geweiht werden, staune aber über ihre große Spiritualität.

 

Die Mitgliedschaft in Vereinen und Verbänden von Theologinnen und Kirchenfrauen, allen voran in der ESWTR, (Europäische Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen) ist meine Gemeinde, doch bin ich dankbar, in Pinnow einen liberalen Pastor zu erleben, in dessen Gemeinde ich meine festen Engagements habe. 
Was wird mich im Sterben trösten? Ich versuche seit einiger Zeit, Gott im Bild der Großen Weberin zu denken und mich ihr betend anzuvertrauen. Sie wird meinen Lebensfaden abschneiden, aber dieser leuchtende Faden wird bleiben im Teppich des Lebens.