Hanna Strack » Kirchentanzempfang, Kirchentag Hamburg 3.5.13

Die Christl. Arbeitsgemeinschaft für Tanz in Liturgie und Spiritualität lädt zum Empfang ein. Herzlich willkommen!

 

Dieser Name ist gleichzeitig auch Programm: Tanz soll in der Liturgie, im Gottesdienst, einen festen Platz haben.

 

Das hat es schon einmal gegeben, im Jahr 1780 im Osten der USA, bei den Shaker. Wir kennen heute nur noch ihre schönen und praktischen Möbel.

 

Aber ihr Gottesdienst kann uns Vorlage sein zu einer Vision: Eine Agende, eine gottesdienstliche Grundform mit Tanz!

Und so sah das damals aus:

1. „Retire Time“: silent preparation in room 1/2 hour before meeting,

eine ½ Stunde Zeit der Stille in getrennten Räumen

2. procession in ranks (separated by sex) into meeting hall,

Prozession in Reihen in den Gemeindesaal

3. assembly in ranks, men and women facing one another,

Versammlung in Reihen, Frauen und Männer getrennt

4. song or short hymn Lied oder kurzen Hymnus

5. exhortation Ermahnung

6. song Lied

7. dancing, interspersed with occasional breaks

Tanz mit gelegentl Unterbrechungen

8. dismissal Entlassung

(Foto: Schütteltanz der Shaker, Radierung, ca. 1840)

Sie haben die Stühle in ihrem Gemeindesaal so gearbeitet, dass man sie an der Wand aufhängen kann, so wurde Platz zum Tanzen frei. Das ist auch eine gute Idee für Kirchbauarchitekten! (Procter-Smith, Marjorie: Women in Shaker communitiy and  worship, New York 1885)

 

Ein Gottesdienst spiegelt das Gottes- und Menschenbild wider.

 

Ein Gottesbild, es muss nicht unbedingt wie das von Friedrich Nietzsche sein, der sagt: Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde. (Krit. Studienausgabe Bd IV, München 993, 49)

Aber ein Gottesbild heute kann nicht mehr ein hierarchisch, nicht statisch sein – kein richterliches Bild, sondern Gott in Bewegung!

Eher können wir mit der großen Dichterin Nelly Sachs in ihrem Gedicht IM ALTER bekennen: Wieder ist Gott reisefertig.  Nelly Sachs sagt auch:  Der Tanz war meine Art des Ausdrucks noch vor dem Wort …  erträumte Tanzbewegungen, die frühe Sehnsucht, im Tanz den unsichtbaren Kerker zu durchbrechen.

 

Ein Gottesdienst spiegelt das Gottes- und Menschenbild wider.

 

Das Menschenbild, das wir hier alle verkörpern, ist ganzheitlich und – ebenso wie die Shaker sehen wir Frauen und Männer als gleichwertig an und Gott war für sie Mann und Frau. Aber nicht alles wollen und können wir von den Shakern übernehmen, so lebten sie alle in der Gemeinde zölibatär, weil das Gottesreich bald kommt!

Tanz, das wissen wir hier alle, ist eine physische, eine seelische und eine spirituelle Bewegung. Diese Einheit gibt es in den traditionellen Gottesdiensten nicht. Im Alten Israel scheint es aber so gewesen zu sein: Vor ca 10 Jahren ist die „Bibel in gerechter Sprache“ erschienen. Zeitgenössische Frauen und Männer der Bibelwissenschaft haben sie übersetzt. Statt „Reigen“ übersetzen sie „Tanz“, das klingt anders in unseren Ohren.

Z.B.:

Ps 150,4 Lobt ihn mit Handtrommel und Tanz,

lobt ihn mit Saitenspiel und Flöten!

 

 

Menschen antworten mit dem Tanz auf ein Leben, in dem sie aufblühen können, ein Leben, das ihnen lebendiges Wasser an Orten oder in Zeiten der Wüste gibt, Antwort auf ein gedeihliches Leben. Ist Tango dagegen eine Sehnsucht nach gedeihlichem Leben und einem Leben in Fülle?

Ps 87,7 Sie singen, während sie tanzen: In dir sind alle meine Quellen.

Oder:

Ps 114,7 Tanze (Lu: Erbebe), Erde … ,

im Angesicht der Gottheit Jakobs,

8 die den Fels in einen Wasserteich verwandelt,

einen Kiesel in eine Wasserquelle.

Oder:

Ps 16,8 Ist Gott zu meiner Rechten, so wanke ich nicht.

9 Darum freut sich mein Herz. Meine Würde tanzt! (BigS)

(Luther: Meine Seele ist fröhlich)

Mein Körper ist wirklich in Sicherheit.

 

Die Menschen loben Gott mit Musik, mit Kirchenmusik, und mit Tanz:

 

Ps 149,3 Lobt Gottes Namen beim Tanz,

mit Handtrommel und Leier musiziert für sie/ihn.

 

So kann Gottesdienst sein: mit Musik und Tanz!

Sie kennen vielleicht den Witz: Fragt einer den Papst: Darf ich beim Beten tanzen? Die Antwort natürlich: Nein! Ein Jesuit fragt darauf: Darf ich beim Tanzen beten? und die Antwort ist: Ja!

Darüber sind wir heute weit hinaus. 1- Der Papst ist selbst Jesuit, 2. Tanzen ist Beten.

 

Die Christl. Arbeitsgemeinschaft für Tanz in Liturgie und Spiritualität ist ein Name und zugleich ein Programm: Der liturgische Tanz ist Beten und das – so die Vision – soll in allen Gottesdiensten möglich sein!

 

Meine Vision könnte so aussehen: Nach dem „Der Herr sei mit euch – und mit deinem Geist“: Stühle an die Wand hängen, das Gebet tanzen, wieder sitzen auf den Stühlen, Predigt, Gebete und Segen und zum  Schluss noch einmal Stühle aufhängen, in drei konzentrischen Kreisen „Shalom chaverim“ im Kanon tanzen! Einen ersten Schritt haben Frauen gemacht, als sie in den Ergänzungsband der Erneuerten Agende ein so genanntes „Gestaltungsbeispiel in Anlehnung an Grundform I“ (S. 67 ff) einbrachten, eine Liturgie im Kreis um die Mitte mit Tanzanleitung, z. B. zu „Adoramus te, Domine“. Dort wird auch verwiesen auf das Buch von Manfred Büsing und Holger Kiesé: Tanz, Gebärden und Haltungen.

Zum Schluss können wir der Dichterin Marie Luise Kaschnitz zuhören, sie hat für sich die spirituelle Sprache des Tanzes entdeckt, eine Sprache des Körpers in Beziehung zu Gott:

Man kann sich dabei in die Erde hineintreten, mehr und mehr schwarze Erde, Wurzeln, kleine Rinnsale, oder auch sich über die Erde erheben, seht doch, schon berühren meine Füße den Boden nicht mehr…

…  gerade in den bedrohlichsten Lagen, … als einen Zustand des Gleitens und Schwebens, auch des inneren Lächelns, das … mich doch am nächsten zu dem hingeführt hat, das den Gläubigen als Gegenwart Gottes erscheint.

aus: Wohin denn ich, GW 2, 513

Also doch Gott im Bild des Tänzers, der Tänzerin?

Dieser Ausschnitt eines Freskos aus Ullersdorf zeigt den tanzenden Schöpfer, nachdem er Adam und Eva geschaffen hatte:

 

Foto: Christian Wesenberg, gefunden in: Petra-Edith Pietz, Tanz auf Leben und Tod, Arbeitshilfe zum Weitergeben Nr. 3, Juli 2006, Ev. Frauenhilfe in Deutschland e.V., 18