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Gedanken über die Seele von Hanna Strack

 

Auszug aus dem Buch mit Gunhild Nienkerk, Schwerin, das beim Tyrolia-Verlag, Innsbruck, erscheinen wird mit dem  voräufigen Titel: „Kind, wir freuen uns auf Dich! Spiritualität für die werdende Familie“.

 

 

Der erste Blick eines neugeborenen Kindes erscheint für viele Eltern und Hebammen wie ein Gruß aus einer anderen Welt. Ist es die Seele des Kindes, die durch die Augen zu uns spricht?

Schon während der Schwangerschaft sind Frauen seelisch mit dem Kind verbunden, auch wenn das heute durch die Ultraschalluntersuchungen oft in den Hintergrund gedrängt wird. Das Sehen scheint stärker zu wirken als das Fühlen.

 

Aber was ist die Seele? Die Meinungen darüber können unterschiedlicher nicht sein, denn was wir über die Seele denken, hängt ab von dem Weltbild, das wir haben.

Fragen und Beobachtungen führen uns weiter:

Haben Eltern die Seele ihres Kindes selbst erschaffen?

Entsteht sie während der Schwangerschaft oder ist sie schon bei der Zeugung gegenwärtig?

Wandert die Seele von Körper zu Körper durch die Jahrtausende?

Ein Vater antwortet seiner kleinen Tochter auf die Frage, wo die Kinder herkommen: „Du hast auf einer Wiese im Himmel gelebt und hast uns ausgewählt und bist dann zu uns gekommen!“

 

Für andere klingt es eher zynisch, denn warum sollte sich eine Seele z. B. ein qualvolles Schicksal wünschen? Um erzogen zu werden? Wieder andere sehen dies als große Chance.

Und wieder andere verstehen die Seele als ein Symbol für ein ganzes Bündel von Erfahrungen: das psychosomatische Erleben, das körperliche Gedächtnis, die vorsprachlichen Gefühle, das sinnhafte Erleben, die schöpferischen Gestaltungen, das In-Liebe-miteinander-verbunden-Sein: Sie ist die Identität, das Selbst des Menschen. Die Seele ist demnach ein Sinnbild für das Mehr des Lebens, für die Erfahrung des Lebendigen und Wärmenden, für das unmittelbare Erleben im Augenblick und für das Ergreifende einer zwischenmenschlichen Beziehung. Im religiösen Sinn ist die Seele Ausdruck für das, was über Denken und Fühlen hinausgeht, sie transzendiert das Erleben und ist mehr als das Erleben. Die Seele steht sicher in Verbindung zum Urstrom des Lebens.

 

Welche Bilder verwenden Menschen für die Seele? Früher waren es Vögel, Schmetterlinge, Engel. In Ägypten und in der frühen Kirche bis ins Mittelalter gab es die Vorstellung, dass die Seele nach dem Tod aus der Nase steigt und den Körper verlässt, oft im Bild eines kleinen Engels oder Schmetterlings dargestellt. Im öffentlichen Leben gehört die Seele heute in den Wellness-Bereich, man kann „die Seele baumeln lassen,“ verspricht die Werbung.

Und wie erleben wir im alltäglichen Leben die Seele? Sie lacht und weint, sie hat Sehnsucht nach der Ferne und nach der Heimat, nach Frieden und nach Anerkennung. Die Seele leidet unter Stress, sie erlebt Grausamkeiten.

 

Wie auch immer wir uns die Seele vorstellen, es ist auf jeden Fall wichtig, die Seele der Menschen ernst zu nehmen, ihre Würde zu achten. Die Seele des Kindes wollen wir nicht vernachlässigen sondern stärken, z. B. indem wir sie ernähren mit der reichen Bilderwelt des Unbewussten in Märchen und Mythen, Ritualen und Gebeten. Wir spüren auch, dass wir über die Seele des Kindes nicht herrschen können, wir können nur staunen und dankbar sein darüber, wie das Kind sich entfaltet und welche Persönlichkeit sich da entwickelt.