Hanna Strack » Elisabeth Schmitz (1893-1977)

 

 

 

 

 

 

 

 

Elisabeth Schmitz (1893-1977),

die unbekannte Kämpferin und Theologin des Widerstandes im 3. Reich

 


Im Jahr 2004 wurde in einem Kirchenkeller in Hanau ein Koffer gefunden mit persönlichen Unterlagen von Elisabeth Schmitz. Jetzt erst wurde bekannt, dass sie es war, die die „Denkschrift zur Lage der deutschen Nichtarier“ anonym verfasst hatte.

Elisabeth Schmitz wächst in Hanau auf, studiert in Berlin Geschichte, Deutsch und Theologie und arbeitet als Lehrerin. 1938 lässt sie sich in den Ruhestand versetzen: „Es ist mir in steigendem Masse zweifelhaft geworden, ob ich den Unterricht bei meinen rein weltanschaulichen Fächern – Religion, Geschichte, Deutsch – so geben kann, wie ihn der nationalsozialistische Staat von mir erwartet und fordert.“ Sie kehrt 1943 nach Hanau zurück.

 

Die Helferin in der Not

Vielen Verfolgten gewährt sie Unterschlupf und besorgt Lebensmittelkarten. Margarete Koch-Levy schreibt 1950: „Fräulein Dr. Elisabeth Schmitz … hat mir in den Jahren der Judenverfolgungen außerordentlich viel geholfen. Im Sommer 1940 hat sie mich wochenlang in ihrem bei Berlin gelegenen Wochenendhäuschen aufgenommen. … Nur ihre außerordentliche Verschwiegenheit und Klugheit haben sie vor Gefangenschaft und Schlimmerem bewahrt.“

 

Die Gotteslehrerin

1. Denkschrift „Zur Lage der deutschen Nichtarier“

Der kirchliche Widerstand gegen die Reichskirche der Deutschen Christen (DC) sammelte sich in der „Bekennenden Kirche“ (BK), die 1934 in Barmen ein neues Bekenntnis verabschiedete. Für sie ist Hitler nicht der von Gott gesandte Führer, allein Christus ist Gottes Offenbarung. Doch Elisabeth Schmitz verlangt darüber hinaus öffentliche Stellungnahmen gegen die Judendiskriminierung. 1935 verteilt sie eine Denkschrift in 200 Kopien an Synodenmitglieder. Sie weiß, „dass es keine Übertreibung ist, wenn von dem Versuch der Ausrottung des Judentums in Deutschland gesprochen wird.“ In Opposition zum vorherrschenden christlichen Antijudaismus betont sie die jüdischen Wurzeln als unabdingbare Grundlage des Christentums und fordert Nächstenliebe. Ihre Denkschrift wird nicht behandelt. Fehlt es an Mut?

 

2. Enttäuschender Briefwechsel mit Karl Barth

In den Jahren 1933 bis 1936 korrespondiert Elisabeth Schmitz mit Karl Barth, dem einflussreichsten Theologen der BK, und besucht ihn in der Schweiz. Sie fordert eine Kontaktaufnahme der christlichen Kirchen mit Vertretern des Judentums und eine aktive seelsorgerische Betreuung der Verfolgten in den Konzentrationslagern. Karl Barth lehnt eine öffentliche Stellungnahme zur Verfolgung der Nichtarier ab. Für ihn ist die Judenfrage nicht zentral.

Elisabeth Schmitz findet nur wenig Gleichgesinnte, so vor allem Dietrich Bonhoeffer und Helmuth Gollwitzer, Pfarrer in Dahlem., dem sie nach dem 9. November 1938 schreibt: „… dass die Kirche strikt als Kirche handelt, ohne rechts und links zu sehen, ohne Taktik, ohne zu fragen: was wird daraus, allein nach ihrem Wesen und ihrem Auftrag.“

 

Literatur:

Hannelore Erhart/Ilse Meseberg Haubold/Dietgard Meyer, Katharina Staritz 1903-1953. Dokumentation Bd. 1. Mit einem Exkurs Elisabeth Schmitz

Manfred Gailus (Hrsg.): Elisabeth Schmitz und ihre Denkschrift gegen die Judenverfolgung. Konturen einer vergessenen Biografie (1893–1977). Berlin 2008

Manfred Gailus, Mir aber zerriss es das Herz. Der stille Widerstand d. E.S. Göttingen 2010.

 

 

 

 

Zitat von Elisabeth Schmitz:

„In der Osterbotschaft der Vorläufigen Leitung (der Bekennenden Kirche) heißt es: ,Weil uns Christus vor dem Vater vertritt, können wir es nicht leiden, wenn die Ehre des Wehrlosen in den Staub getreten wird.‘ Hier aber geht es längst schon nicht mehr um die Ehre. Es geht um die Existenz von Hunderttausenden, es geht um das nackte Leben. Und es geht um die Haltung der Christen, der Gemeinde, der Kirche. Es geht um die Schuld des Volkes und um die Sünde der Kirche. Und sollte es nicht auch gehen um Zittern und Furcht und Schrecken vor dem, der ein eifriger Gott ist, und von dem die Losung des heutigen Tages sagt: ,Der Herr ist Richter über die Völker‘?“