Auf den mittelalterlichen Altären in unseren Kirchen und Museen finden wir viele heiligen Frauen und Männer. Die Männer sind Jünger Jesu. Christophorus mit dem Jesuskind auf der Schulter bildet da eine Ausnahme. Die Frauen, die eine Krone tragen, sind Märtyrerinnen. Sie und die anderen sind zu erkennen an den Gegenständen, die sie tragen. Die Männer haben die Werkzeuge ihres Berufes oder ihres Sterbens in der Hand, so Johannes der Evangelist den Kelch, aus dem oft eine Schlange hervorschaut als Symbol des Giftes, das er trinken musste, aber nicht daran starb. Maria Magdalena, meist als vornehme Bürgersfrau gekleidet, hält ein Salbgefäß, Margarete den Drachen, den sie zähmte, Gertrud von Nivelles das Hospiz, das sie gründete. Elisabeth von Thüringen, die eine Kanne und eine Teller mit zwei Fischen trägt, ist die einzige, die durch soziale Aktivitäten bekannt wurde. Alle anderen haben ihren Glauben mutig bekannt. Die Jüngste ist Agnes, sie trägt ein Lamm, die Älteste Apollonia. Ihr wurden die Zähne ausgeschlagen, weshalb sie oft mit einer Zange abgebildet ist. Barbara trägt als Sterbebegleiterin einen Kelch mit Oblate und/oder einen Turm, in dem sie gefangen gehalten wurde und Katharina das Schwert und das zerbrochene Rad, ihre Folterinstrumente. Die Frauen kommen aus ganz Europa und Vorderasien: aus Alexandrien, Caesarea, aus Frankreich, England und Deutschland.
Die Heilige Dorothea erkennen wir sofort an dem Körbchen mit Rosen und Äpfeln. Oft trägt sie einen Rosenkranz im Haar und einem Knaben steht zu ihren Füßen. Die Legende erzählt, dass sie, als sie zur Hinrichtung geführt wurde (etwa um 300 n. Chr. in Caesarea), rief: „In dieser Welt ist es kalt. Ich bin froh, dass ich jetzt in ein Land gehen kann, in dem es keinen Winter und keinen Schnee gibt und die Sonne nie untergeht.“ Theophilus, ein spöttischer Rechtsanwalt, der die Szene beobachtete, rief ihr zu: „Schicke mir Rosen und Äpfeln, wenn du dort bist!“ Und tatsächlich kam nach einigen Wochen ein Knabe und überbrachte ein Körbchen mit Rosen und Äpfeln. Im hohen Mittelalter wurde Dorothea sehr verehrt als Patronin der Neuvermählten und BlumengärtnerInnen.
Die Heiligen auf unseren Altären haben auch eine vorchristliche Ideengeschichte. Sie sind „getaufte Göttinnen“. Die christlichen Missionare haben Göttinnen vorgefunden, die sie dem Volk dadurch erhalten konnten, indem sie sie nun zu christlichen Märtyrerinnen gemacht haben.
So ist der Früchtekorb der Dorothea ein Sinnbild für die Liebe und die Fruchtbarkeit. Er erinnert an die Matronen, die römischen, ursprünglich keltischen Muttergottheiten – den Nornen vergleichbar. Eine der Matronen trägt einen Früchtekorb auf ihrem Schoß.
Dorotheas Gedenktag ist der 6. Februar, ein Tag im Frühjahr, an dem die Menschen auf neue Fruchtbarkeit hofften, um den Winter überleben zu können.
Meine Idee, diese Altäre zu besuchen, um den Frauen, unseren Vor-Müttern, neu zu begegnen, wird von den Frauenwerken in Mecklenburg-Vorpommern, in Bayern und auch in Rumänien weiter getragen. Eröffnen auch Sie sich diese Jahrtausende alte Frauentradition in Ihrer Umgebung!
Das Bild zeigt die Heilige Dorothea auf dem St. Georgenaltar in Wismar
aus: FrauenKirchenKalender 2004, Foto: Martin Poley