Hanna Strack » Christine Mayr-Lumetzberger: Bischöfin, römisch-katholisch.

Christine Mayr-Lumetzberger: Bischöfin, römisch-katholisch. Mein Weg zu einer neuen Kirche, Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2011


Christine Mayr-Lumetzberger schildert ihren Weg zur – von der verfassten Kirche aus gesehen illegalen – Priesterinnenweihe, ihre seelsorgerliche und liturgische Haltung, ihre Erfahrungen mit den Menschen, mit den Kollegen und mit den Behörden der katholischen Kirche. Eine Frau mit gesundem Menschenverstand und tiefkatholischem Glauben tritt uns entgegen.

Das Buch liest sich ungemein leicht, es ist sehr anschaulich geschrieben. Christine Mayr-Lumetzberger versteht es, selbst schwierige kirchliche Dogmen oder moderne Ausdrücke verständlich zu erklären. So umschreibt sie das aggiornamento von Papst Johannes XXIII mit „notwendige Anpassung der katholischen Kirche an die Bedingungen der modernen Welt“. Dies steht im krassen Gegensatz zu den Worten von Benedikt XVI im September 2011: Die Kirche müsse den Weg der  „Entweltlichung“ gehen. Doch „das Bedürfnis der Zeit ist Gottes Wille“ zitiert Christine Mayr-Lumetzberger P. Theodosius, den Gründer des Ordens der Barmherzigen Schwester vom Kreuz. Das Modell der Arbeiterpriesterinnen ist ihr Vorbild, Ehrenamt statt Hauptberuf. Und hier sieht sie ein großes Potential angesichts des Priestermangels in den Gemeinden.

Aber natürlich ist dieses Buch auch eine Provokation. Zwar haben unzählige Frauen in zweitausend Jahren Kirchengeschichte sich zur Priesterin berufen gefühlt und unter dem Verdikt gelitten. Doch nicht alle katholischen Theologinnen sind einverstanden damit, dass hier eine Bewegung entsteht, die contra legem, gegen die Gesetze der Kirche, handelt und lebt und die vielleicht alle Bemühungen um eine offizielle Reform der Kirche unterläuft. Mit diesem Vorbehalt habe ich, evangelische Pastorin, das Buch mit großem Gewinn gelesen: Glaube ohne Macht, Liebe und Respekt vor den Menschen in seelsorgerlichen Situationen, liturgisches Gespür, die Teamfähigkeit und, was mir besonders wichtig scheint, die Haltung zu sich selbst, zur Wachsamkeit gegenüber der eigenen Kraft und Begabung, der Notwendigkeit, sich einen spirituellen Begleiter zu suchen.

Wie war nun dieser Weg? Schon als 14jährige in ihrer österreichischen Heimat Linz fühlte sich Christine zur Priesterin berufen, sie hatte Freude an religiösen Dingen und Feiern, sah aber zugleich auch kritisch die Bevorzugung der Jungen im kirchlichen Alltag. Sie suchte ihre Heimat im Orden der Benediktinerinnen vom Unbefleckten Herzen Mariens. Sie tauchte ein in den Reichtum der Benediktinischen Spiritualität, den sie aus der Tradition in die Moderne bis heute mitnimmt. Sie blieb im Orden zum Ende der Professzeit. Danach studierte sie Religionspädagogik, heiratete und arbeitete als Religionslehrerin. Die Jahre der Reifung des Entschlusses zu den Weihen zur Diakonin, Priesterin und Bischöfin sind spannend beschrieben unter dem Motto: „Die Lust an Gott ist meine Stärke“. Es ist ein Weg zwischen großer Anerkennung und grundsätzlicher Ablehnung.

Die Ökumene ist für Christine Mayr-Lumetzberger selbstverständlich, denn „solange es Hungersnöte auf der Welt gibt und Menschen in irgendeinem Teil der Welt zu wenig Brot haben, scheint es mir frevelhaft, darüber zu streiten, wie denn ein Mensch guten Willens die leibhaftige Gegenwart Jesu im eucharistischen Brot verstehen muss, missverstehen oder nicht verstehen kann.“

Das Buch beginnt mit einem erdachten Brief der Theodora Episcopa, eine Bischöfin aus dem 8. Jahrhundert, an Christine und endet mit deren Antwortschreiben. Zahlreiche Farb- und  Schwarzweißfotos geben einen guten Eindruck von dem Weg und der Arbeitsweise der Bischöfin. Die immer wieder zwischen gestreuten Internetadressen fordern auf, sich weiter kundig zu machen.

Das Buch wünsche ich mir in der Hand aller derer, die in der Gemeinde tätig sind, gleich welcher Konfession.

 

Hanna Strack