Hanna Strack » Chi Chan Khong – buddhistische Nonne

Ein Herz kann die Welt in allen zehn Himmelsrichtungen berühren

Chi Chan Khong – Schwester Wahre Leere – buddhistische Nonne im Hier und Jetzt

 

Im Jahre 1938 wird Cao Ngoc Phuong in Vietnam geboren, wo Krieg, koloniale Unterdrückung und Armut herrschen. Sie ist das achte von neun Kindern und wächst in bescheidenen, aber ausreichenden Verhältnissen im Mekong Delta auf.

 

Als ihr Vater 1945 von Ho Chi Minhs Leuten als Kollaborateur verhaftet wird, fängt Phuong an, sich mit dem Problem sozialer Gerechtigkeit in der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Phuong ist buddhistisch erzogen wie die Mehrheit der Vietnamesen, aber sie findet zunächst in ihrer Religion keine Antwort auf ihre Fragen, auch nicht als sie unter Anleitung von Mönchen zu lernen beginnt.  Die traditionelle spirituelle Welt scheint weit entfernt zu sein von den Problemen der Menschen. Erst auf ihrem persönlichen Weg der Meditation und bei ihrer Arbeit für die Armen, Kranken und Kriegsopfer wird sie erfahren, welches der Weg der Heilung für ihr eigenes Leben sein wird: Die Lehre von Mitgefühl, Gewaltlosigkeit und dem tiefem Verstehen der Verbindung von allen mit allem.

 

Neben dem Studium der Biologie startet sie eigene soziale Projekte, geht in die Slums und organisiert Hilfe für Reis.

 

1960 begegnet sie dem Mönch und späteren Meditationslehrer Thich Nhat Hanh, der heute einer der bekanntesten und angesehensten buddhistischen Meister ist. Er versichert ihr, dass man zur Erleuchtung finden kann durch jede Art von Arbeit, die tief und achtsam ausgeübt wird. Sie hat ihren Lehrer gefunden. Mit zwölf Freunden gründet sie die „Buddhist Student Union“ und die Schule der Jugend für Sozialarbeit, deren Tätigkeit zunehmend politischer wird. Viele der Mitglieder verlieren im Krieg ihr Leben.

 

Nach Demonstrationen zur Religionsfreiheit 1963 werden Mönche und Nonnen festgenommen. Es kommt damals zu den spektakulären Selbstverbrennungsaktionen, die die Welt aufrütteln sollen. Immer wieder werden Dörfer und Gemeinschaften aus dem Untergrund her aufgebaut, immer wieder im Krieg zerstört. Phuong baut Schulen und Gesundheitszentren, organisiert Rettungsaktionen, verbringt Wochen im Gefängnis, weil sie verbotene pazifistische Bücher verteilt hatte.

 

1968 wird sie von Thich Nhat Hanh gebeten, ihn im Ausland bei der Organisation des friedlichen Widerstandes zu begleiten. Sechs Jahre reist und arbeitet sie mit ihm für den Frieden in Vietnam. Als der Krieg 1975 zu Ende geht, werden die Verhältnisse noch schlechter. Waisengelder werden vom neuen Regime eingezogen, die sozialen Organisationen zerstört und Phuong und ihr Lehrer zu CIA-Agenten erklärt. Sie kehrt nicht mehr nach Vietnam zurück.

 

In Frankreich gründet sie mit Freunden in einem Bauernhaus eine erste kleine Gemeinschaft. 1982 wird es dort zu eng und die Gemeinschaft zieht in das heute bestehende Zentrum „Plum Village“ in Südfrankreich. Dort und auf ihren internationalen Reisen lehrt Phuong seit 1987 selbst die Praxis eines Lebens in Achtsamkeit, einem Leben aus dem Bewußtsein, dass der Geist im Menschen gegenwärtig ist. Sie unterscheidet demnach nicht zwischen Arbeit und Meditation, Erleuchtung und Alltag, verschiedenen Nationalitäten und dieser oder jener religiösen Tradition. Oft singt sie am Ende eines Vortrages mit ihrer wunderschönen Stimme Lieder ihrer Heimat.

 

1988 auf einer Reise durch Indien wird Phuong auf dem GeierGipfel, einem Ort an der Grenze zu Nepal, an dem der historische Buddha oft war, zur Nonne ordiniert und erhält den Namen Chi Chan Khong – Schwester Wahre Leere, traditionell werden dabei die Haare geschoren. Die wahre Leere ist das Bewusstsein, das keine Begierden und deshalb auch kein Leiden mehr kennt.

In ihrem eigenen Buch „Aus Liebe zu allen Wesen“ beschreibt Chan Khong ihren Weg und ihre Visionen: Es gibt keine Trennung zwischen Arbeit und Spirituellem, zwischen Achtsamkeit und Helfen und auch nicht zwischen den eigenen Heil-Sein und dem der anderen.

 

Heute organisiert Schwester Wahre Leere von Plum Village aus Hilfsprojekte in ihrer Heimat Vietnam. Sie kümmert sich um Kinder in Schulen, um Kranke und vor allem auch um die Flutopfer der in diesen Jahren immer wiederkehrenden Überschwemmungskatastrophen. Mit den Klöstern, den Nonnen und Sozialarbeitern vor Ort hält sie trotz aller Schwierigkeiten ständigen Kontakt.

Ihre grosse Freude an der Schönheit und dem Glück, das sie aus dem alltäglichen Leben gewinnt und ihre Dankbarkeit für all diese Geschenke versucht Chan Khong auch anderen Menschen zu vermitteln. Das spirituelle Zentrum in Frankreich wird jedes Jahr von Familien, Laien und Geistlichen vieler verschiedener Traditionen besucht, die den Weg der Achtsamkeit als Weg zur Heilung für sich und andere entdeckt haben.

 

Ihre Freunde schätzen ihre Fähigkeit, bei allem, was sie tut, besonders wenn sie für arme und notleidende Menschen da ist, Glück und Freude zu empfinden und zu verbreiten. Nie verliert sie dabei sich selbst. Bei jeder Arbeit ist sie konzentriert, voller Fröhlichkeit und Leichtigkeit. Dadurch wirkt das, was sie tut, gar nicht wie schwere Arbeit – Schwester Chan Khong ist in ihr zu Hause.

 

Monika Lamberts-Hengster