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Schifra und Pua

 

Schifra und Pua


2. Moses oder Exodus 2,11-30

Und es sprach der König von Ägypten zu den hebräischen Geburtshelferinnen, deren Name der einen Schifra und der zweiten Pua war.

Und er sprach: Beim Gebärenhelfen bei den Hebräerinnen seht ihr an den Gebärsteinen, ob

es ein Sohn ist, dann tötet ihn, ist es eine Tochter, lasst sie leben.

Und die Geburtshelferinnen fürchteten GottElohim und taten nicht, wie der König von Ägypten gesagt hatte und sie ließen die Neugeborenen am Leben.

Und der König von Ägypten rief die Geburtshelferinnen und sprach zu ihnen: Warum tut ihr dies und lasst die Neugeborenen am Leben?

Und die Geburtshelferinnen sagten zu dem Pharao, nicht wie die ägyptischen Frauen sind die lebensstarken Hebräerinnen; ehe die Geburtshelferin kommt, haben sie schon geboren.

Und Gutes tat GottElohim den Geburtshelferinnen und das Volk mehrte sich und erstarkte sehr.

Und es geschah, weil die Geburtshelferinnen GottElohim fürchteten, machte er ihnen Häuser.

 

Zum Text

Der Text gehört zur elohistischen Quelle und ist vom Redakteur hier eingefügt, um das Zusammenspiel der Frauen zur Rettung des Moses als Erlöser zu zeigen. Die Erzählung ist also von der Geburtsgeschichte des Moses her gedacht.

„Geburtshelferin“ ist die dem Hebräischen nachempfundene Übersetzung. Die Namen Schifra und Pua können als schmückende Frauennamen gesehen werden. Einleuchtender ist es, dass es sich  um Namen aus dem Tätigkeitsfeld handelt: Das Kind schön herrichten.

Handelt es sich um Geburtshelferinnen der Hebräer oder um hebräische Geburtshelferinnen? Dies kann von der Grammatik her nicht geklärt werden. Problematisch ist die Übersetzung in V 21: Gott baute ihnen Häuser. Die rabbinische Auslegung besagt, dass Schifra die Stamm-Mutter der Leviten, des Priestertums, und Pua die Stamm-Mutter der   , des Königshaues, sei. „Häuser“, das ist im Alten Israel die Familiensippe, der der Erzvater vorstand. Insofern ist es hier eine Besonderheit, dass Frauen ein „Haus“ bekommen.

Die Namen der Hebammen sind bekannt, warum nicht der des Pharao?

 

Die Gebärkulturen

Die Szene spielt in Ägypten unter Hebräerinnen. Es stoßen also zwei Gebärkulturen aufeinander.

Aus dem Alten Israel wissen wir

  • von der Mühsal der Geburtsarbeit,

  • dass die Hebamme und die bei der Geburt helfenden Frauen das Heilsorakel sprachen,

  • dass eine Hebamme die Erstgeburt bei Zwillingen bestimmen konnte,

  • dass es Fehlgeburten gab.


 

Über die Gebärkultur in Ägypten informiert der Papyrus Westcar. Er berichtet von der schweren Geburt der Ruddenet. „Die Göttinnen aber traten in das Gemach der Ruddedet und verschlossen hinter sich die Türen. Isis stellte sich vor die Kreißende, Nephtys hinter sie, und Heket stand ihr zur Seite, um die Geburt zu beschleunigen. Da wurden unter dem Spruch der Isis die drei Knaben Userkaf, Sahure und Keku geboren. Sie trugen aber schon ihr goldenes Namensschild mit den Königsnamen und den Kopfschmuck aus Lapislazuli, als sie aus dem Mutterleibe traten. Mesechnet aber sprach über jedem den Segen: ´Ein König, der das Herrscheramt in dem ganzen Lande ausüben wird`. Chnum aber verlieh allen Knaben einen gesunden Leib."

Für die Geburt wurde eine Wochenlaube erreichtet. Die Gebärende hockte auf Ziegelsteinen. Eine Hebamme hielt sie in ihrem rücken, die andere kniete vor ihr. So konnte diese das Geschlecht des Kindes zuerst erkennen. Nach der Geburt wurde ein Lebenstest gemacht. Wenn das Gesicht des Kindes nach unten hing, bedeutete es, dass es stirbt. Ein anderer Test ist die Gabe eines Getränkes aus Plazentablut und Milch. Wenn das Kind dies ausbricht, ist es nicht lebensfähig. Ein dritter Test ist die Stimme des Neugeborenen. Wenn es mebi sagt, wird es sterben, wenn es nii sagt, wird es am Leben bleiben. Von hier aus ist der Todesbefehl des Pharao zu verstehen: Die Hebamme, die vor der Frau kniet, sieht als erste das Geschlecht. Dann kann sie den Lebenstest machen und einen negativen Befund feststellen.

 

Die Altisraelitische Weisheit

Ist die Szene beim Pharao ein Ausdruck des Humors, wie einige Ausleger vermuten? Sie kann auf jeden Fall der weihseitlichen Ethik zugerechnet werden. Die Weisheitsethik ist gekennzeichnet dadurch, dass nicht Gehorsam verlangt und Strafe angedroht wird, sondern es wird an die Einsicht appelliert. „Während das sonstige Ethos des AT in seinen apodiktischen und konditionalen Geboten ausgeprägtes Rechts-und Befehlsethos ist, liegt in der ´ Weisheit` kaum eine Gebotssphäre vor.“ Die Gottesfurcht vor GottElohim ist also nicht im Sinne eines Gehorsams zu verstehen sondern als Einsicht in die Würde und Unantastbarkeit des Lebens. Die Erzählung datiert vor dem Dekalog. Später heißt es Furcht des Herrn. Ein weiteres Charakteristikum der Weisheitsethik ist es, dass nicht das Alles-oder-Nichts gilt, sondern Besser-als. So kann die List als weisheitliches Handeln verstanden werden: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ Schließlich gehört zur Weisheitsethik, den Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen zu erkennen. Die Hebammen werden für ihre List und ihre Zivilcourage von Gott mit Gutem belohnt, sie bekommen Häuser, d.i. große Familien. „Weise ist, wer sein Leben so einrichtet, dass es zu einem guten Ende führt.“

 

Unbekannte Frauen

Als ich wieder einmal diese Erzählung las, überkam mich ein heiliger Zorn, denn

die Erzählung von Schifra und Pua steht noch vor dem Empfang der 10 Gebote durch Moses. Sie ist lange unbekannt gewesen. Im Religions- und Konfirmandenunterricht, im Theologiestudium bleibt sie unerwähnt. Weder als Lesung noch als Predigttext im Gottesdienst wird sie der Gemeinde bekannt. In der kirchlichen Frauenarbeit und in der feministisch-theologischen Exegese wird sie dagegen rege rezipiert.

Die Erzählung ist in das 2. Buch Mose eingefügt, um das Zusammenspiel der Frauen zur Rettung des Moses als Erlöser zu zeigen. Der Kontext der Erzählung ist also von der Geburtsgeschichte des Moses her gedacht. Oder geht sie auf eine matriarchale Hebammen-Tradition oder gar auf eine noch ältere Kultlegende zurück?

 

Moralisch vorbildliche und listige Hebammen

Einzelne Stämme waren aus Palästina wegen einer Hungersnot nach Ägypten geflohen und haben sich dort angesiedelt. Sie vermehrten sich sehr schnell. Deshalb befahl der Pharao, dessen  Namen nicht genannt wird, den beiden Hebammen Schifra und Pua: „Wenn ihr seht, es ist ein Knabe, dann tötet ihn!“ Die Hebammen aber gehorchten nicht, denn „sie fürchteten Gott“ und sie konnten sich auf einander verlassen. Der Pharao zitierte sie wieder zu sich „Warum tut ihr nicht, was ich befohlen habe?“ Sie die Ohnmächtigen, befreiten sich durch eine List von dem Mächtigen: „Die Hebräaerinnen sind stärker als die Ägypterinnen. Wenn wir kommen, haben sie schon das Kind geboren.“ Deshalb segnete Gott sie und ihre Familien. Diesen Hebammen konnten die gebärenden Frauen vertrauen. Schifra und Pua gehören in die Reihe der Vorbild-Frauen der Weisheit, der weiblichen Gestalt Gottes.

Die Hebamme Justina Siegemund begründet den besonderen Auftrag ihrer Berufskolleginnen in ihrem Hebammenanleitungsbuch von 1690 mit Schifra und Pua mit dem Motto: „An Gottes hilff und Seegen / Geschickten Hand bewegen / Jst all mein Tuhn gelegen. GOtt that den Wehe-Müttern gutes. Weil die Wehe-Mütter GOtt fürchteten / bauete Er ihnen Häußer. Das ist: Er segnet sie in ihrem Beruff und belohnet ihre Treue.“

 

Die ägyptische Gebärkultur

Die Gebärende hockte auf einem Stuhl aus Ziegelsteinen. Eine der Hebammen unterstützte sie in ihrem Rücken, die andere kniete vor ihr. So konnte diese das Geschlecht des Kindes zuerst erkennen. Nach der Geburt wurden drei Lebenstests gemacht: 1. Wenn das Gesicht des Kindes nach unten hing, bedeutete es, dass es sterben wird. 2. Wenn das Kind eine Gabe des Getränkes aus Plazenta und Milch ausbricht, ist es nicht lebensfähig. 3. Wenn die Stimme des Neugeborenen mebi sagt, wird es sterben, wenn es nii sagt, wird es am Leben bleiben. Von hier aus ist der Todesbefehl des Pharao zu verstehen: Die Hebamme, die vor der Frau kniet, sieht als erste das Geschlecht. Dann kann sie den Lebenstest machen, einen negativen Befund feststellen und das Kind unversorgt liegen lassen, sodass es stirbt.

In den ägyptischen Tempelanlagen gibt es Geburtshäuser für Göttinnen, denen jeweils zwei Hebammengöttinnen zur Seite standen. So weist die Nähe der beiden Hebammen zur Welt der ägyptischen Göttinnen hin auf deren frühe priesterliche Stellung.

 

Die Quellenangaben können Sie bei mir erfragen!

 

 

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