Hanna Strack » Brief an die Konfirmanden 1944

O.U., den 6.3.44

(Ortsunterkunft: Südfrankreich, Tournon sur Rhone?)

 

Liebe Konfirmanden!

 

Wenn es mir vor Eurer Konfirmation nicht mehr vergönnt ist, Euch zu sehen u. zu beobachten, wie Ihr äußerlich u. hoffentlich auch innerlich stattlich gewachsen sei, so soll wenigstens dieser Brief Euch sagen dass ich gern an Euch denke u. Euch viel Segen von unserem himmlischen Vater wünsche!

 

Erstmal hab` ich Euch aber zu danken, dass Ihr alle meiner in der Fremde gedacht u. mich mit Eurem Gruß sehr erfreut hab! Ich würde auch nichts dagegen haben, wenn ich nach Eurer Konfirmation von einem von Euch geschildert bekäme, wie es war; aber das besorgt mir vielleicht Euer Konfirmator selbst.-

 

Ihr habt ihn hoffentlich jetzt wieder, nachdem Ihr eine ganze Weile mit der gestrengen Pfarrfrau fürlieb nehmen musstet. Interessant war das für Euch sicher auch, u. ich hoffe Ihr habt den Eindruck haben dürfen, dass nicht nur „studierte Männer“, sondern auch Frauen gern von dem Guten erzählen, das uns der Heiland durch Gottes Güte gebracht hat.

 

Aber nun wollt Ihr ja auch etwas von mir hören! Also, passt auf!

 

Was Soldaten sind, wie sie ausgebildet werden, das wisst Ihr ja größtenteils. Wir sind hier in Südfrankreich, teils um die Terroristen zu bezähmen, die oft bei der Nacht sich an die Verkehrswege anschleichen um besonders Brücken u Schienen zu sprengen; teils aber werden wir für andere Dinge ausgebildet, von denen wir nur hoffen, dass sie nicht eintreffen werden.

 

In der Freizeit, die wir nur wenig haben, möchte ich gern Land u. Leute kennen lernen u. ihre Anschauungen, besonders auch ihren Glauben erfahren. Und da hat es mich gefreut, manche zu treffen, die uns nicht feindlich, sondern sehr freundlich begegnen. Was für Leute mögen das wohl sein?

 

Manchmal gehe ich auch ins Pfarrhaus. Hier gibt es zwar nicht viele, aber sehr ernsthafte evang. Christen; sie haben eine kl. Kirche, d.h. einen zwischen die Mauern alter Häuser gebauten Saal. Und denkt Euch, im Kirchgemeinderat gibt es nicht nur Männer wie bei uns – darunter der Postdirektor u. ein Professor – sondern auch eine Frau!

 

Und auch die Orgel, d.h. das Harmonium wird von einer Frau, der Frau eines Arztes gespielt, die zugleich auch prächtig singen kann.  Überhaupt singt man hier gern die schönen Glaubenslieder!

Das ist eine Freude; in den Schulen singt man schon 1-4 stimmige Sätze; im Pfarrhaus habe ich selbst auch fest mitgesungen bei der Hausandacht oder am Sonntag Nachmittag in geselligem Kreis.

 

 

 

Die Konfirmanden – es sind nicht sehr viele – sitzen im Pfarrhaus ähnlich wie Ihr zu Gesang u. Unterricht um den großen runden Tisch. Am nächsten Sonntag singen im Gottesdienst die Mädchen 1. Stimme, 2 Frauen 2. Stimme, der Herr Ortspfarrer

Haein 3. Stimme u. sein Sohn die 4. Stimme, den schönen Baß! – Sagt mal, Ihr singt doch hoffentlich auch gern u. habt schon Lieder geübt für die Konfirmation?!-

 

 

Und noch etwas hat mir hier sehr gefallen im „Feindesland“! Da gibt es eine Jugendorganisation, die nennt sich: Christliche Pfadfinder! Der 16jähr. Pfarrersbub ist hier in der Stadt am schönen Strom – der Anführer: Wanderungen, Spiele, Singen u. Bibelbesprechung u. lesen einer schön-bebilderten christlichen Jugendzeitschrift, das treiben die Buben an den Sonntag Nachmittagen.

 

Aber weil das eine ganz freiwillige Sache ist, sind lange nicht alle dabei; hier gibt es natürlich auch Mordsstrolche u. Lausbuben; dass sind dann auch meistens die Kriegshetzer u. Deutschenhasser. – Anders die christliche Jugend! Die hat eine feine Losung, die ins deutsche übersetzt so heißt: „Allzeit bereit!“

 

Und Ihr lb. Konfirmanden alle, das wäre auch eine feine Losung für Euch u. Eure Konfirmation u. Euer Leben: Allzeit bereit! Nämlich: Bereit für den Herrn Christus; dem Frieden u. der Gerechtigkeit unter den Menschen dienen! – Bereit, die Wahrheit zu tun u. in Gottes Wegen zu wandeln!

Das gibt andere Männer u. Frauen als jene, die der Stimme des Meisters nicht folgend ihre verderblichen Wege schleichen.

 

Das wünsche ich Euch herzlich, dass Ihr „Allzeit bereit“ seid, das Gute zu tun, das Gott will. Dann, so dürft Ihr gewiß sein, ist auch er bereit, Euch im Leben zu segnen, dass Ihr Männer u Frauen werdet mit Charakter, vor denen auch die Welt Respekt haben muß!

 

Daß das Leben in dieser Zeit so ernst ist, das erfahrt u, hört Ihr alle Tage. Darum brauche ich Euch nicht zu bitten, tut Euer Möglichstes durch Beten u. Lernen u. Arbeiten, daß uns bald der Friede geschenkt wird u. daß nicht so leicht wieder solch ein Krieg losbrechen kann, wenn Ihr erwachsen seid!

 

 

Ich wünsche Euch u. Euren Liebe allen, Gesundheit u. Gottes Gnade zu einem eindrucksvollen u. gesegneten Konfirmationsfest!

Euer Karl Heinrich