Gedenken
Wir sprechen von euch,
ihr Vermissten, ihr Verschollenen,
ihr Verschleppten, ihr Gefallenen.
Eure letzten Briefe,
euer Grab – wo ist es?
Wir sagen immer noch: Ihr habt uns gefehlt.
Wir betrachten immer noch eure Fotos.
Wir schauen immer noch in eure Gesichter.
Die Erinnerung verknüpft Jahrzehnte
zu einem Augenblick.
Ihr behaltet in unserem Leben euren Platz.
Gott, Du Weberin,
den Lebensfaden der Gefallenen
hast Du abgeschnitten,
aber er bleibt eingewoben
in unserem Teppich des Lebens.
Zeit zum Leben – Zeit zum Sterben
Mandalas von Sigrid Kaußler-Spaeter
Ich werde aus meiner Mutter Leib geboren
Und liege zwischen ihren Schenkeln.
Schon bist du da, Lebenszeit,
Und nimmst mich in deine Hände.
Ich spanne meine Sinne
In der Leidenschaft der Liebe,
da hältst du, Lebenszeit, inne
und feierst Hoch-Zeit.
Ich lasse ab von meinen Früchten,
gereift aus Arbeit und Engagement
und verschenke sie gerne
an dich, du neue Zeit.
Ich lege mich nieder zum Sterben,
will das Zeitliche segnen,
Und gebe dich, meine Lebenszeit,
zurück in Gottes Hände.
hat mich berührt und gesegnet
und mir eine erfüllte Zeit geschenkt.
An ein totes Kind
Liebes Kind,
Dein Vater und deine Mutter
haben dich in der Leidenschaft der Liebe
ins Dasein gerufen,
Gott hat dich im Mutterschoß gewoben
in kunstvollen, doch zerbrechlichen Mustern.
Nun hat Gott hat deinen Lebensteppich
aus dem Rahmen genommen
und zu sich geholt in sein Haus,
wo viele Wohnungen sind.
So bist du aus der Liebe
von Vater und Mutter gekommen.
So kehrst du in die Liebe
der göttlichen Allmacht zurück.
Du bleibst unser Kind, unser Edelstein,
der uns leuchtet!
Amen
(über einer Fehlgeburt)
Mandala von Sigrid Kaußler-Spaeter
Du warst ein Kind der Hoffnung,
unsere Liebe umhüllte dich,
unsere Fantasie schmückte dein Leben aus.
Du warst ein Kind der Freude.
Wie eine Blüte ging unser Herz auf,
denn wir erwarteten dich voll Sehnsucht.
Du warst ein Kind des Lebens.
Wir wollten Leben weitergeben
und uns selbst beschenken lassen.
Du bleibst unser Kind.
Doch du bist ein Kind der Sehnsucht,
das zu einem Kind der Trauer wurde.
Du hast sie nicht gesehen,
den Sonnenglanz und die Mondsichel.
Du hast nicht in unsere leuchtenden Augen geschaut.
Nun aber siehst du das Licht,
das strahlende, wärmende Licht
der Liebe Gottes.
Auch du wohnst im Hause Gottes,
wo viele Wohnungen sind.
Du bist gesegnet
du Kind der Hoffnung, der Freude
und des Lebens.
Und mit dir ist gesegnet
unsere Trauer um dich,
du Kind bei Gott.
Gebet einer Mutter in tiefer Trauer
Gott,
ich bin gelähmt vor Trauer
um mein Kind!
Gott,
ich verstehe dich nicht,
ich bin enttäuscht von dir,
denn ich weiß nicht, was du von mir willst!
Hier liege ich in unendlichem Schmerz.
Wo ist mein Kind?
Ist seine Seele glücklich wie einst,
als es lächelte, wenn ich es hinterm Ohr kitzelte?
Gott,
ich habe erkannt, dass alles Illusion ist,
nur eines ist wirklich: mein abgrundtiefer Schmerz.
Alle Hoffnung, alle Zukunft, ja meine Lebendigkeit
ging mit meinem Kind in den Tod.
Gott,
ich bleibe einfach still
und warte ich auf ein Zeichen deiner Liebe.
Ich kann nicht glauben, dass du strafst,
ich kann nicht glauben, dass ich schuld bin,
ich kann nicht mehr beten.
So hoffe ich, dass mein Kind im Licht wohnt.
Und wenn ich am Himmel den Abendstern sehe,
dann spreche ich und lächle ihm zu:
Ja, liebes Kind, wir bleiben einander verbunden.
Du bist mein heller Stern!
Gott,
ich bleibe einfach still
und warte auf ein Zeichen deiner Güte.
Ich habe viel Zeit. Amen
Zum Tod eines jungen Mädchens
Meine Tochter!
Hörst du,
wie mein Herz weint,
wie alle meine Sinne schreien:
Wo war dein Schutzengel,
als du sterben musstest?
Was antwortest du mir?
Mutter!
Da war kein Schutzengel,
es war der Todesengel,
er trug mich fort
in die weiten Arme Gottes!
Meine Tochter!
Es ist alles ohne Sinn,
es bleibt nur ein rasender Schmerz,
alles ist so absurd!
Mutter!
Wie weit sind Himmel und Erde!
Wie groß ist der mütterliche Schoß Gottes!
Wie warm umfängt mich diese Liebe!
Meine Mutter,
lass es gut sein so.
Segen für eine, die zu früh starb
In den kurzen Jahres deines Lebens
hast du dein Feld bestellt.
Was du gesät hast,
bringt gute Früchte hervor,
sie reiften in der Sonne deiner Liebe.
Dazwischen leuchten
farbenfrohe Blumen
und künden uns von der Fülle deines Lebens.
Gesegnet sei dein Feld,
gesegnet seine Früchte,
gesegnet seine Blüten!
Im Zenit deiner Schaffenskraft
wirst du gerufen,
den Weg an die Quelle des Ursprungs zu gehen.
Noch eine geraume Zeit stehen wir einsam
und schauen auf dein Feld.
Dann folgen wir nach.
Denn aus der Quelle des Ursprungs
entspringt das Zeitmaß
für die Fülle der Gaben
und für die Rückkehr zur Quelle.
Gesegnet sei die Zeit zum Leben,
gesegnet sei die Zeit zum Sterben.
Für meine Mutter im Sterben
Nun stellst du dich dem Sterben.
Nun fragst du:
Wie benehme ich mich denn dann?
Nun bittest du um Beistand,
um wärmende Hände,
die deinen Kopf halten.
Nun treten wir den Abschied an.
Wir wollen dein Sterben gemeinsam erwarten.
Du gehst in die Ruhe hinweg.
Ich komme später nach.
Gottes Segen verbinde uns beide,
wie ein großer Regenbogen
spanne er sich um uns.
Amen
Abschied und Erinnerung
Zum Tod von S. E.
Ein Baum ist wie von einem Blitzschlag gefällt,
noch ehe die Früchte alle geerntet sind.
Tief verwurzelt hielt dieser Baum den Wettern stand,
breitete seine Äste aus über die Länder der Erde
und streckte sie hin zur Sonne.
Viele versammelten sich unter seinen Zweigen,
kamen, gingen wieder oder blieben gerne.
Der Baum ist wie von einem Blitzschlag gefällt.
Wir bleiben zurück, erschrocken und in tiefer Trauer.
Doch in unserem Träumen wird er weiter stehen
dieser Baum voll Lebenskraft,
voll Energie, Tatkraft und Freude.
Denn unsere Träume
sind die Gärten der göttlichen Welt,
die unser alltägliches Leben begleitet.