Hanna Strack » Zu Tod und Sterben

Gedenken

 

Wir sprechen von euch,

ihr Vermissten, ihr Verschollenen,

ihr Verschleppten, ihr Gefallenen.

Eure letzten Briefe,

euer Grab – wo ist es?

Wir sagen immer noch: Ihr habt uns gefehlt.

Wir betrachten immer noch eure Fotos.

Wir schauen immer noch in eure Gesichter.

 

Die Erinnerung verknüpft Jahrzehnte

zu einem Augenblick.

Ihr behaltet in unserem Leben euren Platz.

 

Gott, Du Weberin,

den Lebensfaden der Gefallenen

hast Du abgeschnitten,

aber er bleibt eingewoben

in unserem Teppich des Lebens.

 

 

 

Zeit zum Leben – Zeit zum Sterben     

Mandalas von Sigrid Kaußler-Spaeter

 

Ich werde aus meiner Mutter Leib geboren

Und liege zwischen ihren Schenkeln.

Schon bist du da, Lebenszeit,

Und nimmst mich in deine Hände.

 

Ich spanne meine Sinne

In der Leidenschaft der Liebe,

da hältst du, Lebenszeit, inne

und feierst Hoch-Zeit.

 

 

Ich lasse ab von meinen Früchten,                                                                

gereift aus Arbeit und Engagement

und verschenke sie gerne

an dich, du neue Zeit.

 

Ich lege mich nieder zum Sterben,

will das Zeitliche segnen,

Und gebe dich, meine Lebenszeit,

zurück in Gottes Hände.

 

So hat Gott die Zeit gewährt,

hat mich berührt und gesegnet

und mir eine erfüllte Zeit geschenkt.

 

 

 

An ein totes Kind

 

Liebes Kind,

 

Dein Vater und deine Mutter

haben dich in der Leidenschaft der Liebe

ins Dasein gerufen,

 

Gott hat dich im Mutterschoß gewoben

in kunstvollen, doch zerbrechlichen Mustern.

 

Nun hat Gott hat deinen Lebensteppich

aus dem Rahmen genommen

und zu sich geholt in sein Haus,

wo viele Wohnungen sind.

 

So bist du aus der Liebe

von Vater und Mutter gekommen.

So kehrst du in die Liebe

der göttlichen Allmacht zurück.

Du bleibst unser Kind, unser Edelstein,

der uns leuchtet!

Amen

 

 

 

Segen für unser totes Kind              

(über einer Fehlgeburt)

Mandala von Sigrid Kaußler-Spaeter

 

Du warst ein Kind der Hoffnung,

unsere Liebe umhüllte dich,

unsere Fantasie schmückte dein Leben aus.

 

Du warst ein Kind der Freude.

Wie eine Blüte ging unser Herz auf,

denn wir erwarteten dich voll Sehnsucht.

 

Du warst ein Kind des Lebens.

Wir wollten Leben weitergeben

und uns selbst beschenken lassen.

 

Du bleibst unser Kind.

Doch du bist ein Kind der Sehnsucht,

das zu einem Kind der Trauer wurde.

 

Du hast sie nicht gesehen,

den Sonnenglanz und die Mondsichel.

Du hast nicht in unsere leuchtenden Augen geschaut.

 

Nun aber siehst du das Licht,

das strahlende, wärmende Licht

der Liebe Gottes.

Auch du wohnst im Hause Gottes,

wo viele Wohnungen sind.

 

Du bist gesegnet

du Kind der Hoffnung, der Freude

und des Lebens.

Und mit dir ist gesegnet

unsere Trauer um dich,

du Kind bei Gott.

 

 

Gebet einer Mutter in tiefer Trauer

 

Gott,

ich bin gelähmt vor Trauer

um mein Kind!

Gott,

ich verstehe dich nicht,

ich bin enttäuscht von dir,

denn ich weiß nicht, was du von mir willst!

Hier liege ich in unendlichem Schmerz.

Wo ist mein Kind?

Ist seine Seele glücklich wie einst,

als es lächelte, wenn ich es hinterm Ohr kitzelte?

Gott,

ich habe erkannt, dass alles Illusion ist,

nur eines ist wirklich: mein abgrundtiefer Schmerz.

Alle Hoffnung, alle Zukunft, ja meine Lebendigkeit

ging mit meinem Kind in den Tod.

Gott,

ich bleibe einfach still

und warte ich auf ein Zeichen deiner Liebe.

Ich kann nicht glauben, dass du strafst,

ich kann nicht glauben, dass ich schuld bin,

ich kann nicht mehr beten.

So hoffe ich, dass mein Kind im Licht wohnt.

Und wenn ich am Himmel den Abendstern sehe,

dann spreche ich und lächle ihm zu:

Ja, liebes Kind, wir bleiben einander verbunden.

Du bist mein heller Stern!

Gott,

ich bleibe einfach still

und warte auf ein Zeichen deiner Güte.

Ich habe viel Zeit. Amen

 

 

Zum Tod eines jungen Mädchens

 

Meine Tochter!

Hörst du,

wie mein Herz weint,

wie alle meine Sinne schreien:

Wo war dein Schutzengel,

als du sterben musstest?

Was antwortest du mir?

 

Mutter!

Da war kein Schutzengel,

es war der Todesengel,

er trug mich fort

in die weiten Arme Gottes!

 

Meine Tochter!

Es ist alles ohne Sinn,

es bleibt nur ein rasender Schmerz,

alles ist so absurd!

 

Mutter!

Wie weit sind Himmel und Erde!

Wie groß ist der mütterliche Schoß Gottes!

Wie warm umfängt mich diese Liebe!

Meine Mutter,

lass es gut sein so.

 

 

 

Segen für eine, die zu früh starb


In den kurzen Jahres deines Lebens

hast du dein Feld bestellt.

Was du gesät hast,

bringt gute Früchte hervor,

sie reiften in der Sonne deiner Liebe.

Dazwischen leuchten

farbenfrohe Blumen

und künden uns von der Fülle deines Lebens.

 

Gesegnet sei dein Feld,

gesegnet seine Früchte,

gesegnet seine Blüten!

 

Im Zenit deiner Schaffenskraft

wirst du gerufen,

den Weg an die Quelle des Ursprungs zu gehen.

Noch eine geraume Zeit stehen wir einsam

und schauen auf dein Feld.

Dann folgen wir nach.

 

Denn aus der Quelle des Ursprungs

entspringt das Zeitmaß

für die Fülle der Gaben

und für die Rückkehr zur Quelle.

 

Gesegnet sei die Zeit zum Leben,

gesegnet sei die Zeit zum Sterben.

 

 

Für meine Mutter im Sterben

 

Nun stellst du dich dem Sterben.

Nun fragst du:

Wie benehme ich mich denn dann?

 

Nun bittest du um Beistand,

um wärmende Hände,

die deinen Kopf halten.

 

Nun treten wir den Abschied an.

Wir wollen dein Sterben gemeinsam erwarten.

Du gehst in die Ruhe hinweg.

Ich komme später nach.

 

Gottes Segen verbinde uns beide,

wie ein großer Regenbogen

spanne er sich um uns.

Amen

 

 

Abschied und Erinnerung

Zum Tod von S. E.

 

Ein Baum ist wie von einem Blitzschlag gefällt,

noch ehe die Früchte alle geerntet sind.

 

Tief verwurzelt hielt dieser Baum den Wettern stand,

breitete seine Äste aus über die Länder der Erde

und streckte sie hin zur Sonne.

 

Viele versammelten sich unter seinen Zweigen,

kamen, gingen wieder oder blieben gerne.

 

Der Baum ist wie von einem Blitzschlag gefällt.

Wir bleiben zurück, erschrocken und in tiefer Trauer.

 

Doch in unserem Träumen wird er weiter stehen

dieser Baum voll Lebenskraft,

voll Energie, Tatkraft und Freude.

 

Denn unsere Träume

sind die Gärten der göttlichen Welt,

die unser alltägliches Leben begleitet.