Hanna Strack » Andacht über die Heilige Lucia

 

 

Das Luciafest

Ein Beitrag in dem Buch: Andachten für die Arbeit mit Frauen in der Gemeinde, Hrg. Von Martina Gerlach und Angelika Weigt-Blätgen, Bd 3 Gütersloh 2002, S.162-168

hier das Lucia-Lied

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Annäherung an das Thema

Eine Andacht über die Heilige Lucia, die Lichtträgerin, stellt uns vor drei Fragen und Herausforderungen: Warum befassen wir uns in einer  evangelischen Frauengruppe mit einer Heiligen? Wie können wir auch die dunkle Seite dieser Gestalt würdigen? Wie werden wir konkret der Lucia begegnen?

Wir bekennen mit der Kirche, dass wir alle zur „Gemeinschaft der Heiligen“ gehören. Im Gegensatz zum katholischen Glauben wenden wir uns nicht an Heilige als FürsprecherInnen oder NothelferInnen. Wir erkennen in ihnen aber Ur-Bilder des Lebens und Glaubens und indem wir uns mit ihnen beschäftigen, erweitern, bereichern und festigen wir unser Leben und unseren Glauben. Dazu ist es notwendig, dass wir uns vor Augen halten, dass die Heiligen der frühen Kirche und des Mittelalters eine tiefe Wandlung durchgemacht haben von ihrer vorchristlichen göttlichen Gestalt zu ihrer christlichen Märtyrerrolle. Bei diesem Prozess  wurde oft die dunkle Seite, die Kehrseite des Hellen, abgespalten, und die Gestalt wurde allein auf das Lichte, Gütige, Liebende festgelegt. Doch im Brauchtum ist das Dunkle oft erhalten geblieben. So war Lucia eine Muttergottheit, die das Gebären und Sterben, das Trösten und Strafen versinnbildlichte. Ihre lichte Seite blieb in der Lucialegende erhalten, ihre dunkle Seite finden wir im Brauchtum der Percht, einer furchterregenden wilden Maske,  wieder. Ihre christliche Legende, die wir in der Andacht erzählen, hat ihren Ursprung in Sizilien. In Schweden ist ihre Lichtgestalt ein wesentlicher Teil des Weihnachtsfestes.

Die Beschäftigung mit den  „getauften Göttern und Göttinnen“ kann unsere inneren Bilder, unsere seelische Verfassung direkt treffen und uns bereichern. Das trifft in besonderem Maße zu für die weiblichen Heiligen, denn im protestantischen Bereich gibt es, wie C. G. Jung sagte „Keine Frauen im oberen Parlament“.

 

Andacht

Habe ich richtig gehört? Eine Andacht über eine katholische Heilige? Das macht mich aber neugierig! Und warum gerade die Heilige Lucia? Die habe ich doch letztes Jahr in einem Kaufhaus als Werbegag gesehen! Eine junge weißgekleidete Frau trug einen Kranz mit vier Kerzen auf dem Kopf. – Und ich habe sie im Fernsehen gesehen in einer Sendung über schwedische Weihnachtsbräuche!

Ja, liebe Frauen, wir feiern heute (gestern/morgen) das Luciafest. Es ist der 13. Dezember. Das war in der Zeit des Julianischen Kalenders die Wintersonnenwende, heute ist es der 21. Dezember. Das heißt also, dass das Luciafest die Wende vom kürzesten Tag und der längsten Nacht hin zum langsam werdenden Frühling feierlich begeht. Jetzt verstehen wir sofort, warum an diesem Tag eine Lichtgestalt gefeiert wird. Sie trägt die Hoffnung auf das Licht, die Wärme und das neue Leben in der Natur!

Wer war Lucia? Lucia hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die bis in die Religion unserer Vorfahren reicht. Sie war ursprünglich eine göttliche Lichtgestalt und eine dunkle Muttergottheit zugleich, die schwarze Luz. Wir erleben alle, dass Helles und Dunkles, Licht und Finsternis, Erhabenes und Gefährliches in unserem Leben nahe beieinander liegen. So haben unsere Vorfahren diese Göttin des Lebens und des Todes verehrt. Sie war ihnen der Grund alles Lebendigseins. Und weil wir bei unserer Geburt zum ersten Mal das Licht sehen, ist Lucia auch die Göttin der Wehen, der Geburt und des Kindbettes gewesen.

Ihr Name LUCIA wurde zum ersten Mal auf einer Grabplatte in einer Katakombe in Syrakus entdeckt. War sie eine christliche Märtyrerin? Ja! Und schon entstand ihre Legende:

Lucia war die Tochter reicher christlicher Eltern. Ihre Mutter wurde während der Wechseljahre sehr krank und Lucia reiste mit ihr zum Grab der Heiligen Agatha. Aber Agatha erschien ihr im Traum und sprach zur ihr: „Warum soll ich deine Mutter heilen, wo du es doch selbst kannst. Dein Glaube hat deiner Mutter geholfen!“  Sie kehrt mit der geheilten Mutter nach Syrakus zurück und beschließt jungfräulich, zu bleiben. Aber nun tritt der erzürnte Verlobte auf den Plan. Lucia verteidigt in einem Streitgespräch ihren Glauben. Nun soll sie ins Bordell gezerrt werden, dadurch soll der Heilige Geist von ihr weichen. 60 Männer und 60 Pferde schaffen es nicht, sie dorthin zu bringen. Dann folgen Feuer und Pech, Harz und Öl aber erst ein Dolch, der durch ihren Hals getrieben wird, tötet sie. Im Sterben ruft sie aus: “ Bringt meine schönen Augen meinem Verlobten auf einem Teller. Er hat sie so gerühmt!“ Das ist der Grund, weshalb Lucia auch gerne mit den Augen dargestellt wird. Das alles, was diese Legende erzählt, soll sich im Jahre 304 zugetragen haben. Viele Jahre später – um die Jahrtausendwende – wird ihr Kult auf einmal sehr weit verbreitet. Otto I ließ ihre Gebeine nach Metz überführen. Dann gibt es noch einmal eine Verehrungswelle nach der Reformation. Zu dieser Zeit bilden sich sogenannte Lucienbruderschaften.

Liebe Frauen, mit diesen MärtyrerInnenlegenden haben die Menschen im Mittelalter vieles ausdrücken können, aber uns ist das heute sehr fremd. Wir sind dennoch beeindruckt von der Standhaftigkeit im Glauben und von der Kraft des Heiligen Geistes, der stärker ist als alle Anfeindungen und Todesgefahren.

Ganz anders ist die Geschichte der Lucia im hohen Norden. In Schweden gehört sie zu den Advents- und Weihnachtsbräuchen. Dort ist etwas von dem erhalten, was Jesus im Johannesevangelium sagt: das Licht scheint in der Finsternis (Joh 1,5 und 8,12). Lucia erscheint dort umringt von vielen jungen weißgekleideten Mädchen mit einem Kerzenkranz auf dem Kopf und bringt Lichter und Gebäck. Und von dort kommt nun dieser Brauch in die Kaufhäuser, wie wir es in Schwerin erleben.

Natürlich ärgert es uns sehr, dass religiöse Bräuche für die Werbung missbraucht werden. Doch wir lassen uns dadurch nicht den Blick verderben für die Kraft der religiösen Bilder. Und das ist es, was das Luciafest uns sagen will: Wir tragen alle in uns die Sehnsucht nach dem Licht. Wir wünschen uns Klarheit in unserem Denken, wir wünschen uns Echtheit in unseren Gefühlen, wir wünschen uns Offenheit in unseren Beziehungen. Denn wir sind auf der Suche nach Erkenntnis, wir leiden unter der Verdrängung unserer Bedürfnisse, wir hassen es, wenn unsere Mitmenschen Tatsachen verheimlichen. Und wir arbeiten ein Leben lang daran, unserer Angst standzuhalten, die wir von dem Sterben haben.

Das Licht scheint in der Finsternis – dieses Wort Jesu findet in der Gestalt der Lucia einen sehr schönen Ausdruck, der uns mit allen Sinnen ergreift. Sie erhellt unser Gemüt, sie leuchtet uns voran auf unserem Weg zur Klarheit, zur Echtheit und zur Offenheit. Ihre lange Geschichte aus der vorchristlichen Zeit lehrt uns, dass das Finstere, das Leiden, das Böse, das Aggressive, dass das alles der Ort ist, wohin das Licht scheint.

So steht für uns hinter der Heiligen Luzia Jesus selbst, der das Licht der Welt ist.

 

 

Hinweise zur liturgischen Gestaltung

Zu Beginn der Feierstunde stehen noch keine Kerzen auf dem Tisch. Jetzt nach der Andacht geht die Tür auf und Lucia tritt herein. Sie trägt den Kerzenkranz auf dem Kopf und sie selbst oder andere junge Frauen bringen Kerzen für die Tische mit.

(Sie können einen Adventskranz kaufen oder ihn selbst binden und vier Kerzenhalter hineinstecken. Wichtig ist der feste Unterbau, sei es aus Styropor oder aus Naturfasern.)

Lucia und die anderen Frauen bleiben in der Mitte des Raumes stehen.

Wir singen alle das Luzialied: (dort mit z geschrieben)

1. Dunkelheit liegt so schwer auf allem Leben.

Sonne die scheint nicht mehr.

Nachschatten schweben.

Durch dunkle Stub´und Stall

schreitet im Lichterstrahl

Sancta Luzia, Sancta Luzia,

 

2. Nacht war so groß und stumm,

nun hört ein Brausen

ums stille Haus herum

wie Flügelrauschen.

Seht dort, wie wunderbar,

kommt her mit Licht und Haar

Sancta Luzia, Sancta Luzia,

 

3. Bald flieht die Dunkelheit

aus dieser Welt.

Bald steigt dieser Tag erneut

vom Himmelszelt.

Welch wunderbarer Geist,

der uns dies Licht verheißt;

Sancta Luzia, Sancta Luzia,

(Die Melodie hierfür finden Sie in dem Heft „Mitarbeiterin“, s. Literaturhinweise.)

Anderes Lied: „Es kommt ein Schiff geladen“

 

Wir beten nun mit den Worten von Christa Peikert-Flaspöhler zum Lucientag:

 

was könntest du uns bringen

Lichte

Vergessene

in dunklen Zeiten

bekränzt mit Sternen

die wir nicht mehr fassen

in unsern Spiegelteleskopen

 

als Sehnsucht dich ins Winterdunkel

pflanzte des Nordens

ins wilde Treiben alter Götterheere

geschah´s

weil du die Sonne deines warmen Landes

begeistert aufgehn ließest im Osterlicht?

 

dich so zu sehen

Signal inmitten des Pilgerns

zum Geheimnis

 

Nun werden Kerzen an jede Frau verteilt. Sie können hierfür Tannenbaumkerzen nehmen, die zum Schutz vor Wachs in Papier gewickelt sind oder die schmalen langen Vigilkerzen, wie sie in katholischen Gemeinden zu Wallfahrten verwendet werden.

Die Leiterin stimmt das Lied an : „Mache dich auf und werde Licht“. Sie macht seitenverkehrt die Gebärden einmal vor: Rechte Hand nach außen führen, linke Hand mit Kerze nach außen führen, beide Hände nach oben zusammenführen, dann gemeinsam mit der Kerze zum Herzen hin.

Sie spricht: Lasst uns nun das Licht, das von Jesus über Lucia zu uns scheint, aufnehmen und selbst zum Licht werden, mit dem wir die Finsternis erhellen. Wir singen das Lied dreimal und führen die Gebärden dabei ganz im Einklang mit uns selbst und konzentriert durch.

In die Stille am Schluß hinein segnet die Leiterin alle Frauen:

 

Licht strahlt auf über deinem Haar

helles Licht über dunklem Haar

Lucia – du Leuchtende

möge Licht uns die dunkle Zeit erhellen

möge Licht uns den Weg zeigen

möge Licht unseren Herzen Hoffnung schenken

Lucia – Lichtfrau göttliche

wir bitten um deinen Segen!

Im Namen Jesu, der das Licht ist,

das in die Welt gekommen ist!

Amen

 

Jetzt werden Luciaplätzchen ( Lussekatten mit Safran) aufgetragen. Das Rezept dazu finden Sie auch in der Zeitschrift „Die Mitarbeiterin“.

 

 

Anregungen zur thematischen Weiterarbeit

– Sammeln von Brauchtum, Liedern, Geschichten um Lucia, z. B. Lichterschwemmen, Getreide in einen mit Erde gefüllten Teller säen, Lucienbrot, Zeitungsartikel über Luziafeste heute in Adventsfeiern und in Kaufhäusern.

– Meditieren von Licht und Dunkel in unserer Seele, in unserem Leben, oder „Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt“. Z.B. vor einer Kerze in inneren Bilder Dunkelheit und Licht ausmalen und dann nach unserer Beziehung dazu fragen.

– Reise zu den Heiligen Frauen in Kirchen der Umgebung oder mit dem evangelischen Frauenwerk Stralsund durch Mecklenburg und Vorpommern zu den Heiligen Frauen auf den Schnitzaltären dort, erarbeitet von Astrid Utpatel-Hartwig, die die Reise auch begleitet..

 

Literatur

– Lore Kufner, Getaufte Götter. Heilige zwischen Mythos und Legende, Verlag J. Pfeiffer München 1992, S. 158 – 167, vergriffen

– Jutta Ströter-Bender, Heilige. Begleiter in göttliche Welten. Reihe Symbole, Kreuz Verlag Stuttgart 1990, allgemein über Heilige, vergriffen

– Erni Kutter, Der Kult der drei Jungfrauen. Eine Kraftquelle weiblicher Spiritualität neu entdeckt, Kösel Verlag München 1997 S. 109 und 155

– Die Mitarbeiterin. Werkheft für Frauenbildung und Frauenseelsorge, November/Dezember 2001 Heft 6, Lied S. 9, Text S.28 -33: Gisela Baltes: Was schreitet da um Lichterstrahl?,  Klens Verlag GmbH Carl-Mosterts-Platz 1, 40477 Düsseldorf Tel: o211 / 944794 – 20

– Christa Peikert-Flaspöhler, Höre, Göttliche Freundin. Gebete und Mediationen, Kösel Verlag 1999 S. 167

– Lucia – Segen: FrauenKirchenKalender 1996 S. 156

– Mache dich auf und werde Licht! FrauenKirchenKalender 1999 S. 168

– Adresse für die Reise in Mecklenburg – Vorpommern: Ev. Frauenwerk, Große Parumer Str. 42, 18435 Stralsund, Tel 03831 / 3758 – 0 Fax – 19, evfrauenwerkmv@freenet.de