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Schmerzen – sind nicht gleich Schmerzen

Schmerzen

 

In den letzten Monaten habe ich viel Schmerzen gehabt, gefühlt, erlitten. Es lag an einer Stenose im Rücken und der nötigen Operation, die zwar erleichtert hat, aber nicht wirklich beseitigt!

So schreibe ich heute über Schmerzen.

Es geht dabei um zweierlei:

Erstens um das Verständnis, die Einstellung, von und zu Schmerzen.

Zweitens geht es um das Erleben von Schmerzen. Wie gehe ich damit um? Schmerzstörungsverarbeitung nennen das die Fachleute.

Zwei Freundinnen haben Zahnweh. Für die eine ist das eine Katastrophe. Sie jammert und klagt. Die andere weiß, es wird vergehen. Sie lenkt sich ab mit Fernsehen oder Schreibtischarbeit. „Wer Zahnweh hat, sollte ins Kino gehen,“ so der allgemeine Rat.

Dies geschieht auf der persönlichen und auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene. Den Wehenschmerz verarbeitet eine Frau, indem sie sich sagt, dass das ja zur Geburt ihres Kindes führt. Eine andere hat gelernt, ihn zu veratmen, und eine Dritte stöhnt und schreit, weil es in ihrer Gesellschaft so üblich ist.

 

Schmerz ist nicht gleich Schmerz. Schmerz ist abhängig von der Erziehung und vom Weltbild.

 

Auch die bekannte Stelle in der Bibel, dass Eva mit Schmerzen Kinder gebären solle, Genesis  3,16, ist in der deutschen Übersetzung vom Weltbild abhängig, so entsteht ein Unterschied zwischen dem ursprünglich Gemeinten und der Übersetzung. Die Übersetzung von Martin Luther, die noch bis 1980 gültig war, liest sich so: Mit Schmerzen sollst du Kinder gebären.

Die „Bibel in gerechter Sprache“, eine Gemeinschaftsproduktion, die auf die sozialen Verhältnisse eingeht, übersetzt dagegen sehr nahe am Text:

Ich sorge dafür, dass deine Lasten groß und deine Schwangerschaften häufig sind. Nur unter Mühen wirst du Kinder bekommen.

Zum Mann sagt Gott:

Dein Leben lang sollst du dich nur mit Mühe von ihm (dem Boden) ernähren.

 

Von der Übersetzung eines Textes hängt auch die Wirkungsgeschichte ab und das gilt über Jahrtausende! Mit Wirkungsgeschichte ist gemeint, welche Wirkung ein Text auf die Menschen und die Gesellschaft hat.

So waren christliche Hebammen der Meinung, man dürfe der Frau in den Wehen keine Mittel, keine Injektion geben, da die Bibel fordert, dass Frauen unter Schmerzen gebären solle. Heute wissen wir, dass es MÜHEN heißt.

In einem Rundschreiben des Oberkirchenrates in Schwerin 1855 an die Pastoren über das, was sie den Hebammen zu lehren haben, heißt es:

„… haben auch die Kirchenordnungen unserer Kirche den Hebammen neben den Functionen ihrer Kunst einen geistlichen Nebenberuf zugewiesen und demzufolge verlangt, daß dieselben gottesfürchtige, christliche Personen, im Worte Gottes und namentlich in denjenigen Christenlehren, welche die mit ihrem Berufe zusammenhängenden Dinge (als Geburt, Geburtsschmerzen, Kindersegen, Taufe) angehen, wohl unterrichtet, und so im Stande sein sollten, da, wo sie ihre Kunst ausüben, nicht allein Anweisung zur Nothtaufe eintretenden Falles zu geben, sondern auch Vorbeterinnen zu sein, und in aller Einfachheit aus Gottes Wort Rath und Trost mitzutheilen.“

 

Frauen können mehr über Schmerzen sagen als Männer. Viele haben Schmerzen bei der Menstruation, alle aber bei den Wehen und bei der Geburt. Doch auch hier sind die Unterschiede groß, kulturell bedingt und auch ganz nach persönlicher Einstellung:

Ich habe bei einer Hausgeburt in der Badewanne dabei sein dürfen. Die Gebärerin hat nur immer wieder einen Zischlauf von sich gegeben. Die Hebamme gab ihr homöopathische Mittel, auch gegen Angst. Dann sah ich – ich saß auf dem Clodeckel, der 12 Jährige Sohn auf meinem Schoß - wie als das Köpfchen in der Scheide er schien und dann das ganze kleine Kerlchen da war, da war ich so ergriffen von diesem heiligen Schöpfungsakt, dass ich durch die Stadt lief, einen Kaffee trank, der Familie einen Blumenstrauß kaufte und überreichte und dann mit dem Auto nachhause und dort 4 Stunden fest geschlafen. So tiefgreifend hatte das Geburtsgeschehen auf mich gewirkt.

Es war eine schmerzlose Geburt, aber auch eine hohe Konzentration der Mutter.

 

Bis in die Zeit von Martin Luther galten Schmerzen Strafen Gottes, Luther hat dies abgelehnt.

Schmerzen hatten eine zentrale Rolle in der christlichen Tradition gespielt:

1.Schmerzen verheißen Erlösung, Versöhnung Gottes mit dem sündigen Menschen

Qualvolle Bilder von Jesu Leiden


  1. Schmerzen müssen verdrängt werden

  2. Schmerzen sind Strafe Gottes

  3. Der sadomasochistische Mensch beeinflusst die Grundstruktur der Frömmigkeit, eine depressive Grundstimmung, Religion kann krank machen


 

Erschrocken bin ich jedoch über die vielen Krankheiten und Schmerzen, unter denen der Reformator Martin Luther gelitten hat.

Es handelte sich bei ihm unter anderem um

  • die Menièresche Krankheit (Morbus Menière ist eine Erkrankung des Innenohrs, die vermutlich durch einen Überdruck im Innenohr entsteht. Die drei wichtigsten Symptome sind unvorhersehbare Attacken plötzlichen Drehschwindels, Ohrensausen (Tinnitus) und eine Verminderung des Hörvermögens, Bluthochdruck,

  • das Roemheld-Syndrom (reflektorische Herzbeschwerden, die durch Gasansammlungen im Darm und im Magen, z. B. durch übermäßiges Essen, durch blähende Speisen oder durch Anomalien im Magen-Darm-Trakt, die einen normalen Transport des Mageninhalts behindern, hervorgerufen werden,

  • Nieren- und Blasensteine,

  • Gicht

  • chronische Verstopfung,

  • Hämorrhoiden,

  • unklare Ohnmachtsanfälle,

  • ein offenes Bein.


 

Luther hat viele Ärzte konsultiert, vieles versucht, um seine Schmerzen zu lindern. Es gibt keinen Gott gewollten Schmerz, niemand leidet Gott zuliebe, mit solchen Vorstellungen hat er aufgeräumt, so realistisch für ihn Schmerz und Leid Teil des Lebens waren.

In der Neuzeit gilt dank Luther, dass Schmerzen nicht sein müssen.

Schmerzfreiheit wird nun zum Ideal der neuzeitlichen Kultur- und Lebensauffassung.

 

Es gibt Beispiele von Schmerzen, bei denen keine Verletzungen, also keine körperliche Ursache, festgestellt werden konnten: Das habe ich persönlich bei einer Retraumatisierung erlebt!

Als ich nach der Knie-Operation noch einmal Schmerzen bekam, haben mich diese völlig überwältigt, obwohl der renommierte Chirurg keine Ursache finden konnte. Ich wurde suizidal, war über zwei Monate in der Psychiatrie. Denn ich habe dies später erkennt: Das Trauma, das ich mit vier Jahren erleben musste, wurde wieder wach. Damals, es war 1940, das Penicillin war noch nicht entdeckt, bekam ich Scharlach, Diphterie, Angina, Windpocken, alles auf einmal.

Arzt und Krankenschwestern waren überzeugt, ich würde sterben und wollten mich in eine kleine Kammer schieben, damit die anderen Kinder mich nicht tot sahen. Mein Vater, der in der Nähe als Soldat stationiert war, bat sie, doch noch einmal zu warten.

Ich wurde wieder gesund. „Weil sie so vital ist,“ wie der Arzt im Schwennninger Krankenhaus meinen Eltern erklärte.

Das Zusammenkommen von Todesnähe und Schmerzen hat sich meinem Körper eingeprägt und machte mir Angst, furchtbare Angst.

Hätte man mich gefragt: An was erinnert Sie das in Ihrer Kindheit? wäre der ganze Spuk weg gewesen.

 

 

 

Meine Imaginationen zur Schmerzlinderung

Ich habe mich auf die Schmerzstelle konzentriert und dann zugelassen, dass ein Bild erscheint.

Und das sind die Beispiele:

  • Riesengroße graue Steine an meiner Schmerzstelle. Lastwagen kommen, um sie abzutransportieren. Unter den Steinen erscheint nun ein klarer kleiner See.


 

  • Ich stehe auf einer Bergspitze und blicke über die Alpen hinweg auf die ganze Erde.


 

  • Ein Wasserfall: donnernd rauschen die Wassermassen in die Tiefe.


 

Vielleicht fällt Ihnen etwas dazu ein? Schreiben Sie es mir: hanna.strack@t-online.de.

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