Hanna Strack » Unser Pfarrer ist eine Frau

 

Rezension von Hanna Strack:

UngerAckermann

 

 

 

 

 

 

 

Lea Ackermann, Helga Unger (Hrsg.): Unser Pfarrer ist eine Frau. Erfahrungen und Konsequenzen. Eine ökumenische Standortbestimmung. Herder, 2012. 278 S. € 14,99.

 

„Geh und verkündige! – Nachfragen an den Platz von Frauen in den Kirchen“: Diese Podiumsdiskussion beim 2. Ökumenischen Kirchentag in München im Mai 2010 gab der Herausgeberin Dr. Helga Unger, Ltd. Bibliotheksdirektorin i. R., den ersten Impuls zu diesem Buch. Frauen verschiedener Konfessionen sprachen über ihren theologischen Werdegang, ihren Berufsalltag, ihren Frust und ihre Zukunftshoffnungen. Vier von ihnen sind auch hier vertreten.

 

Natürlich ist die Enttäuschung über die Starrheit ihrer Kirche, was das Weiheamt für Frauen betrifft, bei den katholischen Theologinnen besonders groß. Mitherausgeberin Ordensfrau Lea Ackermann formuliert es ganz drastisch. „Wütend und traurig“ sei sie, denn „Gottes Gnadengaben sind offensichtlich auch Frauen der katholischen Kirche geschenkt.“ Aber „wir Frauen haben auch nur ein Leben.“

 

Helga Unger hat sich auch schon in früheren Publikationen intensiv mit theologischen Fragen beschäftigt („Der Berg der Liebe“, Die Beginen“, Die Ketzer von Rocailles“). Ihr historischer Rückblick auf den Wandel des Frauenbildes der Kirche und die jeweilige gesellschaftliche Wirklichkeit bildet mit 80 Seiten Umfang und 135 Anmerkungen den wissenschaftlichen Schwerpunkt des Buches. Ihr Fazit: „Es würde auch der ökumenischen Dimension Auftrieb geben, wenn die römisch-katholische Kirche endlich in einem ersten Schritt mit dem Diakonat der Frau den Weg ins Weiheamt freigeben würde.“

 

Eine weitere Standortbestimmung nimmt Sabine Demel, Professorin für Kirchenrecht und Gründungsmitglied von DONUM VITAE, vor. Ihre theologisch-rechtliche Schlussfolgerung: „Nicht die Zulassung der Frauen zum Weiheamt bedarf der Begründung, sondern der Ausschluss von Frauen.“ Das Schlusswort erteilen die Herausgeberinnen einem Mann, dem 78jährigen Pastoraltheologen Fritz Köster. „Brauchen wir Priesterinnen?“ fragt er etwas provokant. „Ja“, sagt er, aber Frauen sollten nicht klerikalisiert werden, sondern im Gegenteil die Kirche entklerikalisiert. Er plädiert für ein anderes Priestertum. Dass Frauen, die ein Amt bekleiden oder anstreben, durchaus diese Ansicht teilen, wird deutlich in den sieben Erfahrungsberichten von Theologinnen verschiedener Konfessionen.

 

In der evangelischen Kirche sind Pfarrerinnen heute so selbstverständlich, als habe es sie schon immer gegeben. Aber auch hier waren die Anfänge hart und die Widerstände groß. Als eine der letzten Landeskirchen ordinierte die bayerische ab 1975 Frauen. Allerdings gab es noch bis 1998 den sogenannten „Vetoparagraphen“, der es Pfarrern und Kirchenvorständen erlaubte, eine Pfarrerin abzulehnen. Brigitte Enzner-Probst war die erste Vikarin in München. Anschaulich schildert sie ihren Weg über Studium, Pfarramt, Kindererziehung, Frauenpolitik bis zur Universitätskarriere. Sie vergisst auch nicht ihren Dank an die Theologinnen-Vormütter, ohne deren Kampfgeist solches nicht möglich gewesen wäre.

 

Sehr ungewöhnlich ist der Weg der evangelischen Anwältin Dorothee Hahn, die über den Chorgesang zur Episkopalgemeinde in München fand, dem amerikanischen Zweig der Anglikanischen Kirchengemeinschaft. Sie studierte katholische, evangelische und orthodoxe Theologie und ist heute Pfarrerin in München, Augsburg und Nürnberg. Interessant ist folgender Tatbestand: Die Episkopalkirche lässt seit 1976 die Ordination von Frauen sowohl zum Priesteramt als auch zum Episkopat zu. 15 rebellische Frauen, die sich vorher in Philadelphia, USA, hatten weihen lassen, wurden 1977 legalisiert.

 

Henriette Crüwell, Juristin, katholisch sozialisiert, wollte Nonne werden. Heute ist sie mit ihrem evangelischen Mann und den drei Kindern zur altkatholischen Kirche übergetreten. 2006 wurde sie zur Priesterin geweiht und 2009 zur altkatholischen Pfarrerin in Bonn gewählt.

 

Lea Ackermann ist weltweit bekannt durch ihre Missionstätigkeit in Afrika und die Gründung des Frauenhilfsprojektes SOLWODI. Schon lange kritisiert sie die Starrheit ihrer Kirche. „Bürden die Mächtigen der Kirche den gläubigen Frauen Gesetze auf, die sie zu ihrem Vorteil und Machterhalt gemacht haben?“

 

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde bekannt, dass in der Tschechoslowakei heimlich Frauen und verheiratete Männer geweiht wurden, um in einer Untergrundkirche das Christentum am Leben zu erhalten. Nach der Wende wurden die Männer teilweise anerkannt, die Weihe der Frauen aber für ungültig erklärt. Eine der letzten noch Lebenden ist Ludmila Javorová, geb. 1932, die als  Seelsorgerin bei inhaftierten Nonnen eingesetzt war. Ihr bewegende Geschichte schildert Maria Angelika Fromm nach einer persönlichen Begegnung. Der Bischof, der die Weihen vorgenommen hatte, wurde übrigens später für verrückt erklärt.

 

Maria Angelika Fromms eigene Lebensgeschichte ist durch viele Brüche gezeichnet: Flucht aus der DDR, Lehramts- und Theologiestudium, gescheiterte Ehe mit einem Expriester. Als alleinerziehende Mutter von drei Kindern erfuhr sie viele Widerstände in ihrer katholischen Kirche. Aber sie will „Stachel im Fleisch“ sein, schloss sich dem KirchenVolksBegehren und der „Lila-Stola-Bewegung“ an und machte schließlich eine Ausbildung zur Diakonin.

 

In die Welt der Orthodoxen Kirchen führt uns der Erfahrungsbericht der in Deutschland aufgewachsenen Griechin Katerina Karkala-Zorba. Sie kam über das Sprachenstudium zur Theologie, leitete die Orthodoxe Akademie von Kreta und ist stark in der Ökumene engagiert. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Brüssel. Sie betont den speziellen Beitrag der orthodoxen Theologie zu einem frauenfreundlicheren Gottesbild und erhofft sich die Wiederbelebung des Diakoninnenamtes in ihrer Kirche.

 

Schließlich wäre da noch das Problem der „contra legem“ geweihten katholischen Priesterinnen und Bischöfinnen, deren Zahl Helga Unger inzwischen in sechs Ländern auf über 100 schätzt, mit wachsender Tendenz in den USA. Obwohl exkommuniziert, leisten diese Frauen ehrenamtlich, ohne Geld und ohne institutionalisierte Macht, an vielen Orten wertvolle Seelsorgearbeit, oft im Geheimen unterstützt von ihren Ortsgeistlichen. „Die illegale Weihe von Priesterinnen kann für uns kein Hindernis sein, mit ihnen vertrauensvoll zusammenzuarbeiten“, schreibt Brigitte Enzner-Probst. Es ist bedauerlich, dass ihnen in diesem Buch keine Stimme gegeben wurde.

 

Christa Mathies.