Hanna Strack » Rezensionen zur Theologie der Geburt

Hanna Strack, Die Frau ist Mit-Schöpferin. Eine Theologie der Geburt, Christel Göttert Verlag Rüsselsheim 2006, 357 Seiten, ISBN 3-922499-85-6, € 19,80 (D), 20, CHF 36,-.

 

Prof. Anna-Katharina Szagun, Rostock:

Wer je die Geburt eines Kindes miterlebt hat, erinnert sich dieses elementaren Geschehens als einer mit einem Wechselbad von Gefühlen verbundenen Erfahrung: Angst, Schmerz, zitternde Ohnmacht, daneben eigene Anstrengung, Freude, Staunen, Ergriffenheit, Dankbarkeit. Ein Großteil der Zeitgenossen erlebt die Geburt eines Kindes als ‚Wunder’, und zwar unabhängig von medizinischer Bildung oder Kirchenzugehörigkeit. Im Geburtsvorgang wird – falls Apparatemedizin dies nicht überdeckt – die Berührung mit dem Geheimnis des Lebens, dem Heiligen, gespürt. Die Tatsache, dass die Geburt eines Menschen die religiöse Dimension des Lebens besonders stark empfinden lässt, steht nach Hanna Strack in Kontrast zur Häufigkeit, Inhalt und Zielen der theologischen Reflexionen, die man bisher diesem zentralen Thema widmete. Ihr Buch ‚Die Frau ist Mitschöpferin. Eine Theologie der Geburt’ setzt neue Akzente. Ziel ist, eine dem Schöpfungsereignis ‚Geburt’ angemessene Geburtskultur zu fördern. Dreifach setzt Strack an:

(a) Der Blick zurück soll die Ursachen der kritikwürdigen heutigen Geburtskultur verstehen lassen.

(b) Der Blick auf Geburtserfahrungen heutiger Menschen soll, theologisch reflektiert, zu einer frauengerechten Theologie der Geburt führen.

(c) Durch Angebote liturgischer Texte zu Schwangerschaft/Geburt sollen Lücken bisheriger Agenden geschlossen werden.

Hanna Strack entfaltet zu (a) ein breites Spektrum von Themen zu religionsgeschichtlichen, historischen, theologischen, philosophischen aber auch medizinischen  und soziologischen Aspekten. Unter der Überschrift ‚Perspektivenwechsel’ setzt sie der patriarchalen Fixierung auf den Tod als Zentralthema die Geburt als Wunder des Neubeginnens entgegen, plädiert für eine Revision des Evabildes wie der medikalisierten Geburt. Sie skizziert das spannungsvolle Wechselverhältnis von Kirche und Hebammen in der Geschichte. Ihr Fazit: die Definitionsmacht der Männerkirche habe die vormalige Frauen- und Geburtskultur zerstört, Sprachlosigkeit bei Frauen bezüglich ihrer Erfahrungen hinterlassen. Hanna Strack belegt ihre z. T. durchaus provozierenden Thesen gründlich an Quellenmaterial. (b) Interviews mit Hebammen bilden die Erfahrungsbasis, von der her Hanna Strack eine Theologie der Geburt entwirft, die bei der Begegnung mit dem Heiligen ansetzt und die Frau als Mitschöpferin herausstellt. Im Anhang (c) finden sich Texte zu liturgischen Handlungen in unterschiedlichen Lebenssituationen (Geburt, auch Fehl-/Totgeburt, Schwangerschaftsunterbrechung, Segnung von Hebammendienst usw.). Hanna Strack ist ein gut lesbares, informatives Buch gelungen, das sehr zum Nachdenken anregt.

 

 

Magdalene Weiß, Tübingen, Hebamme, ehemal. Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes:

Ein reiches, dichtes, für uns Hebammen sensationelles Buch! Eine umfassende Würdigung von Hebammen und gebärenden Frauen zu Beginn des 3. Jahrtausend. Das erste theologische Werk über die Geburt in deutscher Sprache.

Gleich zu Beginn ihres Buches schafft die feministische Theologin Hanna Strack die Rahmenbedingungen für den Entwurf einer Theologie der Geburt. In Anlehnung an die Philosophin Hannah Arendt, wendet sie im ersten Schritt den Blick von der Sterblichkeit des Menschen hin zum Geborensein, statt der Mortalität wird die Natalität zur Grundkategorie menschlichen Lebens. Der 2. Perspektivenwechsel betrifft das Frauenbild in der Bibel, das sich vom  Eva-Mythos der schwachen und sündigen Frau hin zur Mutter alles Lebendigen weitet. Im 3. Schritt schließlich wird der Blick von der medikalisierten Geburtsmedizin hin zur Geburtshilfe gerichtet und damit die Möglichkeit geschaffen, die Geburt phänomenologisch zu erfassen. Eine erste Voraussetzung, um den Blick frei zu geben auf den schöpferischen Prozess des Gebärens in der Beziehungsarbeit zwischen Hebamme und Gebärender.

Im nächsten Teil stehen die Geschichte des Hebammenberufes und die Beziehung von Kirche und Hebamme im Mittelpunkt. Dabei geht es um eine breite Palette von Aspekten: die Hebamme als Priesterin, als Amtsperson, der Wandel des Berufes bis hin zu den Vätern bei der Geburt und dem damit verbundenen neuen Geschlechterverhältnis.

Die theologische Bedeutung des Hebammenberufes in der Geschichte schließt sich an. In diesem Kapitel  findet religiöses Brauchtum in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett und die Nottaufe ihren Platz, immer mit dem Bezug zur aktuellen Situation.

Es folgt die Theologie der Gebets- und Liedliteratur der frühen Neuzeit. Gottesbild und Körperkonzept werden hier thematisiert.

Bevor sie zu einem Höhepunkt des Buches kommt, der Begegnung mit dem Heiligen, arbeitet die Autorin in einem kleinen Kapitel, die Wurzeln der abendländischen Theologie heraus, die Männerdominiertheit einerseits und die Frauentraditionen und Frauenspiritualität andererseits, die immer da waren. Das Kapitel mündet in der Beschreibung der Interviews mit Hebammen, ohne die dies Buch nicht entstanden wäre.

Im Mittelpunkt des nächsten Kapitels stehen die Erfahrungen der interviewten Hebammen, die als Begegnung mit dem Heiligen interpretiert werden. Ein starker Abschnitt!

Nach der Auswertung der Interviews folgt der eigentliche Höhepunkt: der Entwurf einer Theologie der Geburt, ihre Konsequenzen, die Würdigung der Frau als Mit-Schöpferin – stark, berührend, ein theologischer Meilenstein hinter den man/ frau nicht mehr zurück kann.

Schluss und Ausblick für Theologie und Kirche, Anmerkungen, Literaturverzeichnis (sehr reichhaltig). Im Anhang befinden sich viele Segens-Liturgien und meditative Texte, die für uns Hebammen gut zu verwenden sind und die Texte der Interviews.

Dieses Buch ist m. E. ein Muss für jede von uns! Die Frau als Mitschöpferin ist gefährdet, heute mehr denn je, durch Medizintechnik, Pharmaindustrie, Schulmediziner, ihre Interventionsfreudigkeit und unsere ungeduldige Gesellschaft. Es ist deshalb notwendig, dass viele das Buch lesen und dass wir uns bewusst bleiben, was wir als Hebammen sein dürfen!

 

 

Dr. Angelica Ensel, Hamburg, Ethnologin und Hebamme, Autorin:

Dass Gebären ein schöpferischer Akt mit einer spirituellen Dimension ist, ist vielen Hebammen ein vertrauter Gedanke. Hanna Stracks Verdienst ist es, diese elementare, im geburtshilflichen Alltag jedoch vernachlässigte Ebene ins Zentrum zu rücken und den Dialog darüber in Theologie und Kirche einzufordern – ein notwendiges Buch in einer Zeit, in der Schwangerschaft und Geburt so radikal wie nie vom Diktat der Machbarkeit bestimmt werden.

 

In ihrem umfassenden und inspirierenden Werk beleuchtet die feministische Theologin durch die Jahrhunderte die spirituelle Dimension des Gebärens, das Verhältnis der Kirche zu Weiblichkeit und Fruchtbarkeit und die Beziehung zwischen Kirche und Hebamme. Und sie  entwickelt eine Theologie der Geburt, die die schöpferische Kraft der Frau als Gebärende in den Mittelpunkt stellt. Hierzu bedarf es eines dreifachen Perspektivenwechsels.

 

Während die herkömmliche Theologie die Sterblichkeit (Mortalität) des Menschen in den Mittelpunkt stellt und ein Negativbild der Frau und des Gebärens als Strafe zeichnete, ist für  Hanna Strack, die sich dabei auf die Philosophin Hanna Arendt bezieht, das Geborenwerden (die Natalität) die existentielle Grundkategorie des Menschen. Der zweite Perspektivenwechsel betrifft das Bild der biblischen Eva – die androzentrische Deutung der Schöpfungsgeschichte, nach der das Weibliche unrein und verführerisch ist und Gebären als Strafe gilt. Ihr gegenüber steht Hawwah, die Mutter alles Lebendigen. Die dritte Ebene betrifft die Kritik der medikalisierten Geburt, die die spirituelle Dimension des Geschehens ausgrenzt und Frauen von sich selbst entfremdet.

 

In ihrer Geschichte der sechs Phasen des  Hebammenberufs beschreibt Hanna Strack den Übergang von der Geburtskultur zur Geburtsmedizin. Sie analysiert die soziale und spirituelle Rolle von Hebammen in früheren Kulturen und über Jahrhunderte in der rituellen Hilfs- Not-, Trost-, und Festgemeinschaft der Frauen. Immer wieder wird dabei die Verbindung zwischen Geburt und Religion transparent. Bei der Entwicklung ihrer Theologie der Geburt geht Hanna Strack von der Erfahrung von Hebammen aus. Interviews mit frei praktizierenden Hebammen in deren Mittelpunkt die Frage nach dem „Besonderen“ einer Geburt stand, sind die Basis ihres theologischen Ansatzes.

 

Hanna Strack fordert, dass Frauen das Gebären als Schöpfungshandeln erfahren und durch angemessene Betreuung darin unterstützt und ermutigt werden. Als Aufgabe der Kirche sieht sie es, die „Todesbesessenheit“ zu überwinden und die Geburtserfahrungen der Frau in ihrer Praxis miteinzubeziehen. Deutlich wird, wie sehr die Kirche die Frauen alleine lässt und wie viel Potenzial sie verschenkt, in dem sie die Frauen in ihrer schöpferischen Kraft nicht wertschätzt. Hanna Strack zeigt uns aber auch, dass Hebammen und feministische Theologinnen sich etwas zu sagen haben. Auch hier gibt es noch viele ungenutzte Potenziale.

 

Im umfangreichen Anhang finden sich neben ausführlichen und interessanten Anmerkungen und dem Literaturverzeichnis die Interviews mit den Hebammen, meditative Texte und Anregungen für Liturgien für Segensfeiern.

 

Besonders in Zeiten von Pränataler Diagnostik, wo Angst und Unsicherheit das Schwangersein zunehmend bestimmt, wird offenbar, dass Schwangerschaft eine Ebene der Spiritualität braucht, um zu gelingen. Eine „Renaissance“ der spirituellen Bedeutung von Geburt als einem schöpferischen Akt könnte ein Gegengewicht zu Risikokalkulationen und Wunschsectio sein.

 

 

Aus: Rhein Main Presse vom 8. Sept. 2006:

Mit-Schöpferin oder kranke Patientin?

Hanna Strack sieht die Geburt eines Kindes als Begegnung mit Heiligen an, die werdende Mutter nehme aktiv am Schöpfungsprozesse teil. Mit diesem Gedankengang, der gerade dem stark frauenfeindlichen Zug der frühneuzeitlichen Gebetsliteratur die Stirn bietet, versucht die 1936 geborene Pastorin im Ruhestand in ihrem Buch „Die Frau ist Mit-Schöpferin. Eine Theologie der Geburt“ den spirituellen Gehalt dieses Erlebnisses für Eltern und Hebamme deutlich aufzuzeigen.

Was die Neuerscheinung im Christel Göttert Verlag so authentisch macht und sie bei Weitem keine theoretische Schrift sein lässt, sind Interviews mit frei praktizierenden Hebammen, auf die sich die Autorin maßgeblich stützt. Deren Aussagen dienen als Fundament, um von dort aus zentrale Begriffe – etwas Ergriffenheit und Seligkeit, Grenzerfahrung, neues Leben, Raum und Zeit, Geburtsschmerzen, Wehenarbeit, aber auch Krankheit und Sterben – mit Inhalt im Sinne einer Theologie der Geburt aus Hebammenperspektive zu füllen.

Eine Verhinderung all dieser Erfahrungen tritt nach Strack durch die Apparatemedizin des 20. Jahrhunderts ein: Ärzte sehen die Schwangere nicht als Mit-Schöpferin, sondern als kranke Patientin, ihren Körper gar als Objekt an, dessen Gebärschmerzen bekämpft werden müssen. Doch gerade diese Behandlung, zudem die regelmäßigen Untersuchungen und der Mutterpass, lassen eine Geburt pathologisch und als Risiko erscheinen, sodass sie den Blick darauf verwehrt, das Gebären dem sakralen Bereich zuzusprechen.

Da Hanna Strack der klinischen Entbindung kritisch gegenübersteht und stattdessen der intensiven und persönlichen Betreuung durch eine Hebamme bei einer Hausgeburt den Vorzug gibt, widmet sie sich in einem Teil ihrer Publikation der Geschichte des Hebammenberufes. In sechs Phasen beschreibt sie dessen sich wandelnde Funktion von der früheren Bestimmung der Hebamme als Priesterin bis hin zum zeitgenössischen Wirken. Diese Erweiterung um die historische Dimension zeigt nicht zuletzt, dass einst eine Verbindung von Geburt und Religion bestand – und zwar nicht vor dem Hintergrund eines Negativbildes der Frau, das erst der Eva-Mythos kreiert hatte.

Hanna Strack schafft es, einen Panoramablick auf den Übergang von der Geburtskultur hin zur Geburtsmedizin zu werfen und gleichzeitig nicht das eigentliche Ziel ihrer Arbeit aus den Augen zu lassen: Dass Frauen das Gebären als ein Schöpfungshandeln erfahren und durch angemessene Betreuung darin unterstützt und ermutigt werden sollen.“ (Nina Finkernagel)

 

 

Natalität statt Mortalität von Christa Mathies


In der christlichen Theologie hat das Sterben einen wesentlich höheren Stellenwert als das Geborenwerden. Es ist der feministischen Theologie zu verdanken, dass sich hier allmählich ein Perspektivenwechsel vollzieht. „Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.“ (Joh 16,21) Jesus verwendet in diesem Gleichnis die Erfahrung einer Frau während der Geburt, um die Neuschöpfung zu veranschaulichen, die seine Wiederkehr bringen wird.
Hanna Strack, Pfarrerin i.R. und langjährige Herausgeberin und Verlegerin des Frauen Kirchen Kalenders, gibt dem schöpferischen Prozess des Gebärens seine spirituelle Bedeutung wieder. Dabei bezieht sie sich auf eine Aussage der Philosophin Hannah Arendt aus ihrem Werk „Vita activa oder Vom tätigen Leben“: „Wegen dieser Einzigartigkeit, die mit der Tatsache der Geburt gegeben ist, ist es, als würde in jedem Menschen noch einmal der Schöpfungsakt Gottes wiederholt und bestätigt.“ Geborensein und nicht Sterblichkeit des Menschen soll als existentielle Grundkategorie verstanden werden – Natalität statt Mortalität.
Der zweite Perspektivenwechsel betrifft den frauenfeindlichen Eva-Mythos und seine unselige Wirkungsgeschichte. In der androzentrischen Deutung der Schöpfungsgeschichte ist das Weibliche verführbar und verführerisch. Dafür trifft die Frau die Strafe, unter Schmerzen Kinder zu gebären. Eine radikal andere Eva wird aber bei genauer Exegese der hebräischen Bibel sichtbar: Hawwah, die Mutter alles Lebendigen.
Der dritte Perspektivenwechsel vollzieht sich bei der Betrachtung der heute üblichen technisierten Klinikgeburt im Gegensatz zu einer hebammengeleiteten (Haus)Geburt, die allerdings derzeit nur in 2% der Fälle praktiziert wird.
Die Erfahrungen von Hebammen, die Geschichte ihres Berufs, ihre soziale und spirituelle Rolle stehen folgerichtig im Zentrum die Buches. In früheren Kulturen, in denen eine Göttin verehrt wurde, war die Hebamme zugleich Priesterin. Noch im Alten Testament hatte sie, wie die Geburtsgeschichte von Moses zeigt, eine sehr eigenständige Funktion. Immer war sie Mitglied einer rituellen Hilfsgemeinschaft von Frauen. Dass Hebammen wegen ihres Wissens zur Zeit des Hexenwahns grausam verfolgt wurden, ist hinreichend bekannt. Aber auch in nachreformatorischer Zeit standen sie als Amtspersonen unter der Kuratel von Kirchenmännern. Dass sie berechtigt waren, die Nottaufe zu spenden, war für diese ein Problem. Heute ist die Hebamme weitgehend zum Hilfsberuf der Geburtsmedizin degradiert.
Die theologische Untersuchung der Gebets- und Liedliteratur im Protestantismus der frühen Neuzeit zeigt, wie negativ die Bewertung des Frauenkörpers war. Gott straft die Frauen für die Erbsünde, die Eva verschuldet hat. So soll die Gebärende singen: „Zwar ich und meine Leibesfrucht / sind ungeratne Kinder / doch nehm ich, Herr! zu dir die Flucht…“ Nach der Dekonstruktion dieser androzentrischen Theologie der Geburt (Frauen sind schwach, stehen am Rand) bieten sechs Interviews mit Hebammen Freiraum für die Selbstartikulation von Frauen. Vorwiegend aus dem Raum Schwerin stammend, wo die Autorin lebt, sind sie z.T. kirchlich sozialisiert, teils atheistisch, meinst mit DDR-Erfahrung.
Die Auswertung der Interviews zeigt, dass alle das „Besondere“ einer Geburt erleben. Ergriffenheit, Seligkeit, Grenzerfahrung, Wunder des Lebens, dichte Atmosphäre sind oft genannte Begriffe. „Die Frau ist Mitschöpferin durch die Kraft und die Gelassenheit und den Mut.“ Ein theologischer Exkurs über das „Heilige“ und ein interessanter Ansatz einer neuen Christologie auf der Basis von Geburtserfahrungen vertiefen diese Erkenntnisse.
Die Forderung der Autorin an die Kirche: die Todesbesessenheit und die Geburtsvergessenheit überwinden, Geburtserfahrungen der Frau einbeziehen, besonders in die Taufliturgie und in das Gottesbild. Beispiel: „Gott, unsere Mutter, / Du trägst unser Leben in Dir, / nährst uns an Deiner Brust / und lehrst uns, allein zu gehen…“ (Janet Morley).
65 Seiten Anmerkungen und Literaturverzeichnis zeugen vom wissenschaftlichen Niveau des Buchs. Im Anhang finden sich neben dem genauen Wortlaut der Interviews Liturgien für Segensfeiern für Hebammen und Schwangere, sowie meditative Texte rund um den Themenbereich Schwangerschaft und Geburt. Dabei sind auch Väter und Großeltern einbezogen, ebenso Kinderlosigkeit, Fehlgeburt, Sorge und Trauer. Es ist hervorzuheben, dass an keiner Stelle die Frau auf ihre Gebärfähigkeit reduziert wird.

Am 9. Oktober 2006 wird Hanna Strack 70 Jahre alt. In einer Feier ehrt sie dabei auch den 100. Geburtstag ihrer Namensschwester Hannah Arendt. Herzlichen Glückwunsch!

 

 

 

Silvia Skolik, Geburtskanal Redaktion www.geburtskanal.de

 

Hanna Strack entwirft in ihrem Buch eine Theologie der Geburt, nach der Gebären als ein heiliger und schöpferischer Akt gewertschätzt wird. Diese ursprüngliche, spirituelle und Frauen achtende Darstellung fühlt sich auf eine wunderbare Weise natürlich, richtig, ur-vertraut und sinn-voll an. Leider findet diese Ansicht wenig Beachtung in der heutigen alltäglichen Geburtshilfe und wird auch nicht von den Kirchen unterstützt.

Als Grundlage für ihren Entwurf einer frauenachtenden Theologie der Geburt dienen Hanna Strack die besonderen Erfahrungen von Hebammen.  Sie hat  zu diesem Zweck Interviews mit praktizierenden Hebammen geführt und diese im Hinblick auf ganz besondere Eindrücke und Empfindungen ausgewertet.

Die Theologin und überzeugte Feministin bemängelt, wie negativ sich die aktuelle Kirchenlehre zu Weiblichkeit, Fruchtbarkeit, Geburt, gebärenden Frauen und Hebammen positioniert: der Focus liegt auf Schmerz und Qual bei der Geburt und einer „Todesbesessenheit“; generell kann von einer Missachtung der Frau als Mit-Schöpferin gesprochen werden. Von den Theologen fordert sie deshalb, die Richtung zu ändern und unbedingte Achtung vor der Frau als Schöpfungshandelnde zu haben mit der Konsequenz, die spirituelle Ebene der weiblichen Fruchtbarkeit und des Gebärens auch aus theologischer Sicht anzuerkennen und die Frauen zukünftig darin zu unterstützen, das Heilige der weiblichen Schöpfungskraft in der Praxis erfahren zu können. Die traditionellen Aufgaben der Kirche könnten damit um neue Handlungsfelder erweitert werden.

Im Kapitel „Zur Geschichte des Hebammenberufes – Die Beziehung von Kirche und Hebammen“ geht es um Hintergründe, Entwicklungen, Höhen und Tiefen der Hebammenkunst – und den übermächtigen Einfluss der Kirche auf den Fortpflanzungs- und Geburtsprozess über viele Jahrhunderte. Hanna Strack beschreibt das Miteinander von Frau und Hebamme im Wandel der Zeit als eine ursprünglich spirituelle, aus kulturellem und humanitärem Verständniss gewachsene und notwendige Hilfs- und Solidargemeinschaft; sie spannt den Bogen zur heutigen „Geburtskultur“, die von Technisierung und ausschöpfbaren medizinischen Möglichkeiten beherrscht wird und den menschlichen (weiblichen!) Bedürfnissen und Empfindungen im Grossen und Ganzen nicht gerecht werden kann. Auch auf Entartungen wie Babyfernsehen, High-Tech-Geburt, Wunschkaiserschnitt u.a. wird eingegangen.

Einen Dialog im Hinblick auf eine neu zu etablierende spirituell geprägte und frauenwürdigende Geburtskultur hält Hanna Strack nicht nur zwischen Hebammen und Theologinnen für notwendig und erstrebenswert. Sie fordert zum Gedankenaustausch über die spirituelle Bedeutung des Gebärens auf, an dem alle an der Geburt beteilgten Menschen  (Mütter und Väter, Hebammen und ÄrztInnen, Familienangehörige des Neugeborenen, Freundinnen und Partnerinnen) zusammen mit TheologInnen und PhilosophInnen teilhaben sollten. Der Autorin geht es, bei aller theologisch geprägten Betrachtungsweise, grundsätzlich um die Etablierung einer frauenwürdigenden, an geistigen Werten orientierte, Geburtskultur. Somit ist auch die jeweilige Glaubensrichtung der/des Einzelnen für die praktische Umsetzung dieser Theologie einer Geburt nicht von ausschliesslicher Bedeutung, wie mir scheint.

Der Anhang I enthält Liturgien und meditative Texte für verschiedene frohe und traurige Anlässe rund um die Schwangerschaft und Geburt, ebenso Segnungen, Gebete und Anregungen für Gottesdienste zu den verschiedensten Anlässen. Anhang II beinhaltet die Texte der Hebammen-Interviews sowie zwei ungewöhnliche Geburtsberichte. Anmerkungen und Literaturverzeichnis bieten eine wahre Fundgrube an Quellen für alle, die sich für die historisch-soziologisch-philosophisch-kulturellen Aspekte der Geburtshilfe interessieren.

 

Hanna Strack hat ein wunderbar informatives und in hohem Maße lehrreiches Werk geschrieben, das mit Freude zu lesen ist und dabei sehr zum Nachdenken – auch zum Handeln – anregt. Ein Buch, das sicherlich dazu beitragen wird, ein lange überfälliges neues Selbstverständnis gegenüber gebärenden Frauen und Hebammen zu entwickeln. Bei aller Wissenschaftlichkeit ist die Lektüre herzerfrischend, weil viel Positives und Berührendes geschrieben steht und es der Autorin auch nicht an einer guten Portion Humor fehlt.

 

Dr. Gertraud Ladner (Innsbruck):

 

Die existentielle Bedeutung der Geburt, die spirituellen Erfahrungen, die mit Gebären verbunden sind, und die Entwicklung einer beziehungsfördernden Geburtskultur – daraus entwickelt Hanna Strack einen neuen theologischen Ansatz.

Ein dreifacher Perspektivenwechsel steht zu Beginn: – von der Konzentration auf die Sterblichkeit zum Geborensein als existentielle Grundkategorie (Hannah Arendt); – vom disziplinierenden Eva-Mythos zur biblischen Eva als Mutter alles Lebendigen und zu Frauen als Mitwirkenden an der Schöpfung; – vom auf medizinische Aspekte eingeschränkten Blick hin zur Geburt als kulturell-gesellschaftlich und religiös eingebettete Erfahrung. Ziel der Autorin ist eine phänomenologisch begründete Theologie der Geburt. Grundlage dafür bilden Interviews mit Hebammen, die als Expertinnen eine Vielzahl von Geburten begleitet haben.

Die Autorin gibt einen Überblick über die Geschichte des Hebammenberufs und befasst sich unter anderem mit der Beziehung von Kirche und Hebamme. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Wandel der theologischen Bedeutung des Hebammenberufs und der frühneuzeitlichen protestantischen Gebets- und Liedliteratur rund um die Geburt. Androzentrische Theologie – so die Konklusion von Hanna Strack – hat zur Konstruktion der Gebärenden als schwacher Patientin in der heutigen Geburtsmedizin beigetragen und den Körper der Frau als Ort der Kraft und der Schöpfung vergessen lassen. Die Analyse von Geburtserfahrungen zeigt, dass die Beteiligten in Kategorien des Heiligen – Ergriffenheit, Seligkeit, Grenze, Schweigen, Schmerz, … – von ihren Erfahrungen berichten. Dies ermöglicht es Hanna Strack, das Gebären in den sakralen Bereich zurückzuholen und eine Theologie der Geburt zu entwerfen, die Frauen als Mitwirkerinnen Gottes würdigt.

Dem Hauptteil der Publikation folgen die Endnoten zu den jeweiligen Kapiteln, ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie der zweiteilige Anhang. In diesem befinden sich Segensliturgien für Hebammen und für Schwangere, meditative Texte und Gebete (Schwangerschaft, Fehl- oder Todgeburt, Schwangerschaftsunterbrechung, Kinderlosigkeit, Begrüßung des Kindes, Taufe). Beispielhaft zeigen sie einen frauenfreundlichen Umgang mit Geburt, der die Dimension des Religiösen thematisiert. Die Niederschrift der Interviews mit den Hebammen, zwei Geburtsberichte sowie ein historischer Text bilden den zweiten Teil des Anhangs.

 

Hanna Strack bietet eine ermutigende neue theologische Perspektive. Die Publikation zeugt von einer Theologie mit Erfahrung, Herz und Engagement. Das anregende Werk thematisiert ein breites Spektrum an Aspekten rund um Geburt und Hebammentätigkeit. Es verbindet die historische Aufarbeitung mit der zeitkritischen Analyse und weist Wege in eine theologische und pastorale Zukunft, die noch zu gehen sind. Es ist zu hoffen, dass es nicht nur Hebammen und Gebärende anspricht, sondern für TheologInnen und die Theologie als Ganzes fruchtbar wird.

Anmerkungen und Kritik können bei dem hier begangenen Neuland nicht ausbleiben: Manchmal speisen sich die provokanten Thesen aus einer zu idealisierten beziehungsweise zu polarisierten Sicht von Vergangenheit und Gegenwart zugunsten der positiven Zielformulierung; die Ambivalenz von Geburtserfahrungen und von historischen Entwicklungen kommt zu kurz. Nach wie vor scheint es schwierig zu sein, die Erfahrungen des Gebärens aus der Sicht der Mütter zu thematisieren und zu theologisieren: Hier wird der objektivierende Zugang über die Erfahrungen von Hebammen gewählt. Das Werk hat einen klaren protestantisch-theologischen Fokus. Eine katholische Aufarbeitung des Themas ist ausständig und müsste auch die Mariologie bearbeiten. Eine editorische Kritik zum Schluss: Es ist mühsam, im Literaturverzeichnis nach dem Erscheinungsjahr von ansonsten vollständig in den Endnoten angeführten Publikationen suchen zu müssen.

Ich wünsche der „Theologie der Geburt“ weitere vertiefende theologische und historische Arbeiten.