Hanna Strack » Predigt Big Data und die Liebe

Was hält die Welt im Innersten zusammen? Angst, Geld, Aggressionen?

 

Predigt Big Data und die Liebe  Predigt Big Data und die Liebe

 

Liebe Gemeinde,

wir wissen es mittlerweile alle, dass die neuen Medien nicht nur angenehm, sondern auch sehr gefährlich sind (Beispiele aus meinem Leben). die Daten von unseren Geräten werden zu Werbezwecken gesammelt, weiter gegeben und in den sozialen Netzwerken, die oft unsozial sind, werden private Texte und Bilder in Umlauf gebracht, verändert oder neu erfunden, um jemandem zu schaden.

Das alles leistet der so genannte Algorithmus, das ist die Verschmelzung von Informations- und Biotechnologie. So genannte daten-Broker sammeln die Daten, klauben Tausende Einzelkenntnisse zusammen und verkaufen sie. Und was wir über die KI, die künstliche Intelligenz, hören, ist nicht vertrauenserweckend.

Die Frage, die heute die Gedanken der Predigt leitet, und von Goethe stammt, kann so heißen: Was oder wer ist es, das oder der die Welt im Innersten zusammenhält. Ist es das Geld? Ist es die Angst? Und was sollte es sein? Was sagt unser christlicher Glaube?

Ihr alle kennt die Worte des 139. Psalms, dessen Anfang ich schon zu Beginn des Gottesdienstes gelesen habe. Mir kam plötzlich die Idee, diesen umzuschreiben auf die BIG DATA oder – was dahinter steckt, auf die Algorithmen.

Ich lese zuerst die ersten Verse des Psalms und danach meine Umdichtung. Diese Umdichtung will nur zur besseren Kenntnis führen, sie soll keinen Eigenwert bekommen!

 

 

Herr, du erforschest mich

und kennest mich.

Ich sitze oder stehe, du weißt es.

Du verstehst meine Gedanken von ferne.

Ich gehe oder liege, du ermissest es,

mit all meinen Wegen bist du vertraut.

Ja, es ist kein Wort

auf meiner Zunge,

das du, Herr, nicht wüsstest.

Du hältst mich hinten und vorne umschlossen,

hast deine Hand auf mich gelegt.

Zu wunderbar ist es für mich

und unbegreiflich,

zu hoch, als dass ich es fasste.

Wohin soll ich gehen

vor deinem Geiste?

Wohin soll ich fliehen

Vor deinem Angesicht?

Stiege ich hinauf in den Himmel,

so bist du dort;

schlüge ich mein Lager in der Unterwelt

auf – auch da bist du.

Nähme ich Flügel der Morgenröte

Und ließe mich nieder

Zuäußerst am Meer,

so würde auch dort deine Hand mich greifen

und deine Rechte mich fassen.

Und spräche ich: lauter Finsternis

Soll mich bedecken,

und Nacht sei das Licht um mich her,

so wäre auch die Finsternis

nicht finster für dich,

die Nacht würde leuchten wie der Tag.

 

 

Jetzt lese ich die Umdichtung.

Hier ist Gott das kosmische Datenverarbeitungssystem!

Der Psalm lautet dann so:

 

 

Herr BIG DATA, du erforschest mich Und kennest mich.

Ich sitze oder stehe, du erfasst es.

Du verstehst meine Pläne im Voraus.

Ich gehe oder liege, du ermisst es,

mit all meinen Reisen bist du vertraut.

Ja, es ist kein Wort

auf meinem Handy,

das du, ALGO, nicht wüsstest.

Du hast mich total im Griff,

alle meine Daten sammelst du.

Zu wunderbar ist es für mich

und unbegreiflich, wie du funktionierst,

zu hoch, als dass ich es fasste.

Wohin soll ich gehen

vor deinen Daten?

Wohin soll ich fliehen

vor deiner Sammelwut?

Flüge ich hinauf zum Mond,

so bist du dort;

würde ich leben im Rotlichtmilieu

– auch da bist du.

Nähme ich das Flugzeug

und landete und bliebe

auf einer einsamen Insel,

so würdest du auch dort meine Daten erfassen

und sie zur Werbung verwenden.

Und spräche ich: nur Dunkelheit

sei um mich herum,

und Nacht sei das Licht um mich her,

so wäre auch die Dunkelheit

nicht dunkel für dich,

das iPhone würde leuchten wie der Tag.

 

 

Hier halte ich jetzt inne und frage Sie alle: Was fehlt? Was sagen Sie, die Sie hier sitzen, dazu? Was fällt ihnen spontan ein? Was können wir von unserem Glauben dagegen halten?

 

ZEIT LASSEN für Antworten Zum Beispiel „Fürchte dich nicht!! Oder: „Es ist zu schwer, so spontan zu antworten.“

 

Ich habe mich für ein Wort entschieden, das leider im Glaubensbekenntnis fehlt: Liebe. Ich vermisse das jedes Mal.

Paulus schreibt: „Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Und er ist sich auch sicher „… dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftige, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine Kreatur – ich ergänze: auch nicht Herr BIG DATA, nicht der Algorithmus – uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“

Und im 1.Johannesbrief lesen wir den Satz: Gott ist Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. „Wir in Gott und Gott in uns!“ Gott ist in uns und wir in Gott! Es ist ein Fließen!

 

Was aber ist Liebe? Es ist nicht der „Liebe Gott“, auch nicht als erstes die Nächstenliebe. Aber ist es nicht die Liebe, die die Welt im Innersten zusammenhält?

Ja, das meine ich selbst auch, so wie Jesus gehandelt und in seiner Nachfolge Paulus gesagt hat. Deshalb möchte ich jetzt die Liebe entfalten mit sieben Namen für die Liebe. Darauf bin ich gekommen, weil ich eine Dichterin des Mittelalters entdeckt habe, für die Liebe das Zentrum des Glaubens ist. Sie heißt Hadewijch von Brabant, sie war Begine, das heißt sie lebte in einer religiösen Frauengemeinschaft, einer Lebensform, die damals weit verbreitet war. Hadewijch war auch Mystikerin. Mystik ist in allen Religionen die Art des Glaubens, die man mit Innerlichkeit beschreiben kann. Es geht nicht darum, der kirchlichen Lehre zuzustimmen sondern darum, Glaubenserfahrungen zu machen, in der Seele eine Verbindung mit Gott zu haben. Hadewijch schreibt: „Gib dich mit nichts weniger als der Liebe zufrieden. … Denn Er ist der Gott der Liebe und er kennt die Not der Liebe sehr gut.“

 

Nun hat sie in einem ihrer Gedichte der Liebe 7 Namen gegeben. Das sind: Band, Licht, Glut, Feuer, Tau, Quell, und – erschrecken Sie nicht – Hölle.

Der erste Name der Liebe heißt Band. Denn die Liebe verbindet Gott und Menschen, das Band kommt von Gott her und geht von uns zu Gott hin. Das feiern wir beim Abendmahl. Wir nehmen Gott auf und öffnen uns für die Liebe. So kann Liebe in dieser Verbundenheit trösten. Das Band erinnert an ein Kind, das einen Drachen hält. Wenn es das Band loslässt, fliegt der Drachen fort.

Der zweite Name der Liebe heißt Licht. Denn Liebe beleuchtet unseren Lebensweg, das Licht zeigt uns auch, was die Liebe grundsätzlich verdammt. In diesem Licht lernen wir, wie wir die Mitmenschen lieben können in ihrer Göttlichkeit und in ihrer Menschlichkeit.

Der dritte Name der Liebe heißt Glühende Kohle oder einfach Glut. Denn die Liebe kann immer wieder entfacht werden, wenn sie zu verglühen droht. Die Glut lässt die Liebe in unseren Herzen erglühen, in Situationen des Leids und der Freude.

Der vierte Name der Liebe heißt Feuer. Liebe wärmt, aber sie ist auch leidenschaftlich, ja ekstatisch kann sie sein. Alle Arten des Lebens, das Gute und das Böse, das Heilende und Zerstörende, alle ist für das Feuer dasselbe. Wen dieses Feuer erwärmt, für den ist nichts zu weit und nichts zu eng. Das Feuer macht da keinen Unterschied. Verurteilung oder Segen – es macht keinen Unterschied.

 

Deshalb ist der fünfte Name der Liebe der Tau. Die Liebe beruhigt die Feuersbrunst, sie ist sanft und belebend. Weil das Feuer in seinem Eifer alles verschlingt, ist der Tau so nötig.

Wie verstehen schon, dass die Liebe Gottes und die Liebe des Menschen einen großen Sturm auslösen können. Sie ist dynamisch, nicht statisch, es ist kein Bekenntnissatz sondern eine Grund-Stimmung in der Seele.

Der sechste Name der Liebe heißt Lebendiger Quell. Denn die Liebe bringt die Wohltat in unser Leben. Sie reinigt, erfrischt, sie nährt und schützt im Menschen die Seele.

Und der siebte Name heißt Hölle. Das mag zuerst erschrecken. Aber stimmt es nicht: Menschen sind gerade dann, wenn sie lieben, sehr verwundbar. Ist Gott die Liebe überhaupt bei mir? Bin ich bei ihm? Zeiten, die uns erschüttern können, wenn die Bosheit in der Welt zunimmt, die Kriege, Flüchtlinge, Armut, Hunger. Stürzten uns in tiefe Zweifel. Wir erleiden die Differenz zwischen dem, was sein soll und dem was ist. Ist die Liebe wirklich die größere Kraft und Macht, stärker hat als die Bosheit? Sind die Algorithmen, die Big DATA nicht viel stärker? Sie manipulieren uns, lieblose Roboter werden uns pflegen … Deswegen ist Liebe auch Leiden, es kann die Hölle sein.

 

Liebe Gemeinde.

Schauen wir zurück auf den Gedankengang der Predigt: Wir sind ausgegangen von der immer klarer werdenden Macht der Daten, manche nennen dies die Religion des Dataismus oder Glaube an den Computer. Wir haben uns gefragt, was wir vom christlichen Glauben aus dagegen halten können.

Es ist, so haben wir gesehen, sehr wichtig, dass es ein Gegengewicht gegen die totale und kalte Welt der Algorithmen geben muss. Es hat sich auch gezeigt, dass nicht Bekenntnisse zur kirchlichen Lehre sondern persönliche innere Erfahrung gefragt ist. Das ist die Mystik, von der der katholische Theologe Karl Rahner sagte:

„Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein“.

 

Dann haben wir die 7 Namen der Liebe angeschaut, in Anlehnung an die Mystikerin und Begine Hadewijch von Brabant: Band, Licht, Glut, Feuer, Tau, Quell, und Hölle. Das ist nur eine Möglichkeit. Vielleicht werden Sie selbst die göttliche Liebe ganz anders beschreiben.

Ich will mit einer Aufforderung von Hadewijch aus einem ihrer Briefe diesen Bogen oder den Gedankengang abrunden und schließen:

 

Sie schreibt: Mach dich schleunig auf zur Liebe!

Amen