Hanna Strack » Feldpost – Kulturgut


Gedanken zu den Feldpostbriefen meiner Eltern

 

Feldpostbriefe sind beides, die Briefe von der Front an die Heimat und die Briefe der Frauen aus der Heimat an die Front.


An beiden hat das Archiv in Berlin großes Interesse: www.feldpost-archiv.de. Es ist ein Kulturgut, das Grundlage von Forschungsarbeiten werden kann. Forschende und Angehörige haben Zugang zu den Briefen. Vielleicht erwacht in einem Urenkelkind das Interesse, zu dem die Enkel jetzt keine Zeit haben? Die Briefe von 1944 und Januar 1945 will ich abtippen, bzw. diktieren (Sütterlinscharift) oder scannen. Daraus kann ich ein kleines Büchlein zusammenstellen für Vaters Enkelkinder. Einige Auszüge habe ich auf meine website gestellt.

 

Jetzt – Mai 2017 – ist der gesamte Nachlass beim Archiv der Badischen Landeskirche:

Archiv Karlsruhe

 

nachlassdatenbank

 

 

„Was müssen wir als erstes retten, wenn es brennt? – Die Kiste mit Vaters Briefen!“ Das war jahrzehntelang Mutters Spruch. Sie führte uns aber nie ein in diesen Schatz. Ihr Mann war die Stütze ihrer Seele gewesen und sie konnte nach seinem Tod nicht anders, als ihn mythisch zu erhöhen. Er wurde so auch uns zum Gottmenschen, eine Belastung, aus der mich Psychotherapien und feministische Befreiungstheologie befreien halfen.

Auch erwähnte sie nie, dass sehr viele Briefe von ihr an Vater darin lagern.

 

Heute, ich bin 75 Jahre alt, habe ich genug Distanz, ich habe die Kiste geöffnet und finde darin einen Schatz! Meine Eltern schrieben sich täglich, etwa 4 ½ Jahre lang! Ich lerne meinen Vater kennen und bekomme Einblick in ihre Beziehung zueinander. Tränen kommen mir, ja, aber selten.

Erstaunt bin ich über Vaters Schilderungen sei es der Landschaft Südfrankreichs: „In leichten Kleidern gleichsam spazieren die Wolken am Himmel dahin“, der Beobachtung von Kameraden: „Es ist ein so schöner Sommerabend. Fast ist es ein friedliches Bild, wie da draußen ‚unsere’ Kühe weiden (vorhin habe ich sie wieder gemolken); einer der Kameraden versucht Fische zu fangen, andere sitzen unter einem Baum; dort schlafen sie auch. Die Mongolen darunter sind Mohammedaner; sie sitzen meist mit verschränkten Beinen, wie man das aus Abbildungen sieht.“

Und die Schrecken des Krieges an der Front treten klar vor Augen: „Eine Granate schlägt hinter dem Stallgebäude ein; die nächste vor dem Haus auf die Straße; ein Kam. springt herein; er hat einen kl. Splitter im Rücken. Fw. Reimann ist tödlich getroffen. Der Sani will eine Zeltbahn, in die er die Toten hüllt. Während wir noch im Keller sind, klaut ein Unbekannter ihm die Pistole!“

 

Und da sind immer wieder die Worte der Liebe: „ Ach, Maria, es war mir gestern als müsste ich laufen mit Riesenschritten, um Dich zu erreichen, dass ich Dich küsse aus Freude.“

 

Aus Mutters Briefen erfahre ich vieles über meine und meiner Brüder Kindheit, was mir bis jetzt unbekannt war. Im Herbst 1944: „Hanna will keine lustigen Lieder mehr singen, dann bekommt sie Bauchweh, sie singt nur etwas Heiliges, wo Gott zu hört, wie sie sagt.“

 

Mein Vater war Pfarrer des Kirchspiels Weiler/Kreis Villingen im Schwarzwald. Er fragt viel nach den Bauersfamilien. Er war gerne in den Krieg gezogen im September 1939 „für Euch!“ Er will Deutschland von der Schmach des Versailler Vertrags befreien. Im Juni 1944 meint er noch: „Wir dürfen dennoch getrost bleiben und uns in Gottes Willen ergeben. Er kann uns immer noch retten und zum Sieg helfen, wenn er das will.“

Ende 1944 an der Front in der Eifel nur noch der Wunsch nach Frieden und am 21. Januar 1945 traf ihn ein Bombensplitter tödlich.

 

Wusste mein Vater von den Internierungslagern, von den Verhaftungen durch die Gestapo? Natürlich wurden die Briefe zensiert. Die Namen der Orte, wo er sich aufhält, kann Mutter aus den Anfangsbuchstaben der Absätze zusammenstellen. Und da sind auch antisemitische Äußerungen im Mainstream der Theologen: „Sie haben Christus gekreuzigt“. Dies und anderes erschreckt mich.