Hanna Strack » Die kulturelle und theologische Bedeutung der Gebärmutter

Die Bedeutung der Gebärmutter in Kultur und Theologie

 

Die Perspektive auf die Gebärmutter als Körperorgan, als Anlass und Ort seelischen Erlebens, als symbolfähiges Ur-Bild, in künstlerischen Gestaltungen, als Gegenstand philosophischer Systeme und theologischer Grundaussagen und als Ausgangspunkt einer Spiritualität der Moderne führt zu folgenden Ergebnissen:

 

I Die körperliche und seelische Realität der Gebärmutter


  1. Das Frauen-Organ ist ein Hohlmuskel, der Frauen ihre Identität und ihren Lebensrhythmus gibt, ein Organ mit einer eigenen Biografie innerhalb der Biografie der Frau.  Die Frau kann ihre Gebärmutter als den Ort des Zwei-in-Einem erleben. In ihr können sich Schöpfung und Tod ereignen.
  2. Die Gebärmutter ist Objekt der medizinischer Forschung und der Manipulation durch Pharmazeutika und Operationen. Wirtschaftliche Machtansprüche und Heils-Verheißungen prägen den Umgang mit der Gebärmutter.
  3. Die Gebärmutter ist die Voraussetzung jeder neuen Generation von Menschen. Die pränatale Lebenszeit ist bei allen Menschen die Matrix für ihr späteres Leben.

 

II Die kulturelle Verwendung der Gebärmutter


  1. Gebärmuttererfahrungen sind Grundlage für archetypische und mythische Ur-Bilder.
  2. Die Gebärmutter findet symbolischen Ausdruck in Weltbildern alter Kulturen und Ethnien.
  3. In Kunst und Dichtung wird die Sehnsucht nach der Gebärmutter, leidvolle Erfahrungen mit ihr und die Würdigung dieses Frauenorgans gestaltet.
  4. Philosophien setzen z. T. extrem negative oder positive Werturteile über die Gebärmutter.

 

III Die theologische Bedeutung


  1. Die Gebärmutter wird in Theologien der Bibel, des Judentums und des Islam, in der abendländischen Kirchengeschichte, bei zeitgenössischen Religionsphilosophinnen und Theologinnen je nach deren Frauenbild abgewertet, verteufelt oder wertgeschätzt.
  2. Die Gebärmutter wird als Symbol der Geborgenheit in Gott in Teilen der Bibel, in wenigen Schriften der Gnosis und bei Hildegard von Bingen verwendet.
  3. Jahrhunderte lang wurde der Frauenkörper als Einfallstor der Sünde betrachtet und mit ihm die Gebärmutter. Dank moderner Bibelwissenschaften und Theologien kann ihr heute wieder ihre Würde verliehen werden.

 

IV Die Gebärmutter als Ausgangspunkt einer Spiritualität der Moderne


  1. Die Erfahrung, in der Gebärmutter geborgen, geschützt und genährt worden zu sein, aber auch abgelehnt, gefährdet und verängstigt gewesen zu sein, sind erste Transzendenzerfahrungen des pränatalen Kindes.
  2. Die Erfahrungen von Frauen und Kindern, auch von Männern, mit der Gebärmutter sind psychisch, sozial, existentiell und spirituell tief greifend und vielschichtig. Es geht um Ergriffenheit, um Schöpfung und um Beziehung, um Lebensentwürfe mit Scheitern und Erfüllung.
  3. Wenn Gott geglaubt wird als tragender Grund des Seins, bergend, schützend und nährend, kann die Gebärmutter symbolwürdig sein für dieses Göttliche. Diese Spiritualität bildet ein Gegenkonzept zur medizinisch-technischen Manipulation und wirtschaftlichen Ausbeutung der Gebärmutter.